Im jüngsten Wahlbarometer sind die Grünen die Verliererinnen. Und Federn lassen mussten sie auch bei zwei kantonalen Wahlen in diesem Jahr. Dabei ist der Klimawandel die Sorge Nummer eins der Befragten. Das macht es für die Grünen schwierig, das Blatt noch zu wenden.
Grüner Abwärtstrend ...
Wahlumfragen sind keine Wahlen. Wahlumfragen sind nicht einmal Prognosen. Wahlumfragen seien vielmehr nur Momentaufnahmen – so wiederholen es die Meinungsforschenden bei jeder Gelegenheit. Mehrere Momentaufnahmen hintereinander ergeben allerdings – wie in einem Daumenkino – eine zusammenhängende Bilderfolge. Und diese Bilderfolge, bestehend aus den bisherigen drei SRG-Wahlbarometern plus den Wahlergebnissen aus Zürich und dem Kanton Basel-Landschaft, zeigt klar einen Abwärtstrend für die Grünen.
… trotz Klimasorgen
Dass gleichzeitig der Klimawandel beziehungsweise die Energiewende am häufigsten als eine der grössten politischen Herausforderungen genannt wird, erscheint als ein Widerspruch. Gerade auch, wenn man bedenkt, dass heute wie bei der «Klimawahl» 2019 der gleiche Anteil der Befragten, nämlich 42 Prozent, den Klimawandel zu den Top-Problemen zählen.
Daraus kann man den Schluss ziehen, dass die Grünen und bis zu einem gewissen Grad auch die Grünliberalen ihr Potenzial als Umweltparteien vorübergehend ausgeschöpft haben. Die Klimapolitik hat die auslaufende Legislatur geprägt, hat weit über das grüne Lager hinaus Politikern und Politikerinnen die Möglichkeit zur Profilierung geboten.
Wer heute mit seinem Wahlzettel einen klimapolitischen Akzent setzen will, aber nicht zur grünen Stammwählerschaft gehört, weicht eher wieder auf eine andere Partei aus – eine, die ihm oder ihr bei anderen Themen vielleicht näher steht. Das könnte erklären, warum sich die SP zu stabilisieren scheint, dem alten Muster folgend, dass sich Grüne und SP bezüglich Gewinne und Verluste meistens komplementär bewegen.
Verluste zu erwarten
Setzt sich, um im Bild zu bleiben, dieses Daumenkino von Wahlumfragen und den noch verbleibenden kantonalen Wahlen bis zum 22. Oktober fort, würden die Grünen also die Verliererinnen sein am Wahlabend. Bleibt es beim Verlust von zwei bis drei Prozentpunkten, wäre das zwar eine Niederlage, aber keine Schlappe.
2019 gewannen die Grünen mehr als 6 Prozentpunkte und sensationelle 17 Sitze dazu. Es war der grösste Zuwachs für eine Partei seit Einführung des Proporzwahlsystems 1919. Ein gewisser Verlust wäre so gesehen eine nicht überraschende Korrektur. Und würde die SP im Gegenzug – wie ebenso oft – entsprechend gewinnen, bliebe das rot-grüne Lager konstant.
Themenkonjunktur mitentscheidend
Aber es kann auch ganz anders kommen. Zum Beispiel dann, wenn das Debakel der Credit Suisse, das in der Umfrage noch nicht abgebildet ist, in den kommenden Monaten die politischen Diskussionen bestimmen wird. Oder wenn das Thema Geflüchtete und Migration weiter an Raum in der politischen Debatte gewinnt.
Beides könnte den Wahlausgang beträchtlich beeinflussen, weil viele Wähler und Wählerinnen relativ kurzfristig entscheiden, ob sie überhaupt, und wenn ja, wen sie wählen wollen. So gesehen ist auch das Ergebnis vom Wahlabend, wie die Wahlumfragen davor, eine Momentaufnahme – einfach eine mit realen Auswirkungen für vier Jahre.