- Der erste Wahlbarometer des Wahljahres 2023 zeigt keine eindeutigen Gewinner.
- Die Grünen verlieren jedoch deutlich: Sie erreichen aktuell einen Wähleranteil von 10.7 Prozent.
- Offen ist, wie sehr das Debakel um die Credit Suisse die Wählermeinungen beeinflussen wird. Denn die Befragung wurde bereits vor Bekanntwerden des Rettungsplans durchgeführt.
Rund sieben Monate vor den nationalen Wahlen stehen die Zeichen auf Stabilität. Das zeigt der SRG-Wahlbarometer, der die Wahlabsichten der Schweizer Stimmbevölkerung vor den Wahlen 2023 festhält. Einzige Ausnahme: Die Grünen. Die Partei, die noch 2019 die grosse Gewinnerin war, verliert aktuell 2.5 Prozentpunkte gegenüber den Wahlen 2019.
Im Übrigen gibt es kaum Verschiebungen: Die SVP bleibt mit einem Anteil von aktuell 26.6 Prozent klar wählerstärkste Partei, die SP kann im Vergleich zu 2019 mit einem Prozentpunkt leicht zulegen. Bei der Interpretation ist aber Zurückhaltung angesagt, zumal die Zunahme im Fehlerbereich liegt: Die Schätzgenauigkeit der Umfrage liegt bei +/-1.2 Prozentpunkten.
Folgen nach der Credit-Suisse-Übernahme?
Allerdings: «Die jüngsten Ereignisse sind in der Studie nicht berücksichtigt», sagt Sarah Bütikofer, Politologin beim Forschungsinstitut Sotomo, welches die Befragung durchgeführt hat. Sie meint: Das Debakel um die Grossbank Credit Suisse, die am Wochenende durch die UBS und unter Zusicherung milliardenschwerer Garantien durch den Bund gerettet werden musste. Die Themenbereiche Staatsausgaben sowie Arbeitslosigkeit und Lohndruck rangieren in der Sorgenliste denn auch weit unten. «Die Frage ist, was nun passiert», sagt Bütikofer.
Die Politexpertin gibt zu bedenken, dass es sich bei der Übernahme der CS durch die UBS um ein aktuelles Ereignis handelt und nicht um eine längerfristige Thematik wie etwa der Klimawandel oder die Migration, welche die Wählerschaft schon seit geraumer Zeit beschäftigen.
Bütikofer geht deshalb nicht davon aus, dass die Übernahme der Credit Suisse demnächst ganz oben auf der Sorgenliste thront. «Im Moment ist es aufgrund der Aktualität sicher ein sehr wichtiges Thema. In der Schweiz ist es aber so, dass die Parteibindungen sehr stabil sind.» Und somit werde die CS auch die Langzeit-Themen der Parteien nicht verdrängen.
Sollte die CS-Übernahme allerdings weitere wirtschaftliche Konsequenzen nach sich ziehen wie etwa Arbeitslosigkeit, könne das sehr wohl einen Einfluss auf die Wahlen haben. «Es ist aber nicht absehbar, welche Partei am meisten davon profitieren wird», sagt Bütikofer.
Grüne können nicht an Erfolg von 2019 anknüpfen
Zwar dominieren noch immer grüne Themen die Liste der Herausforderungen der Schweizerinnen und Schweizer, die Grünen können aber nicht mehr so viel Kapital daraus schlagen, wie noch bei den Wahlen 2019. Die Partei habe vor vier Jahren extrem viel dazugewonnen, gibt Sarah Bütikofer zu bedenken. «Jetzt kommt es zu einer gewissen Stabilisierung.»
«Vor vier Jahren war die Klimabewegung noch ganz jung und es gab eine enorme Mobilisierung», erklärt Sotomo-Geschäftsführer Michael Hermann. Das Thema sei zwar immer noch sehr wichtig, doch es sei eine gewisse Ernüchterung spürbar. Und: «Man traut auch anderen Parteien in diesem Bereich Lösungen zu, wie etwa der SP.»
Dass die SP aktuell leicht zulegen kann, ist aber offenbar nicht unbedingt der Parteileitung zu verdanken, wie der Wahlbarometer vermuten lässt. Das SP-Co-Präsidium von Mattea Meyer und Cédric Wermuth hat nämlich bei der eigenen Basis an Rückhalt eingebüsst: Noch 50 statt 54 Prozent der Wählerbasis schreiben dem Führungsduo einen positiven Effekt auf das Parteiabschneiden zu.
So werden die Parteispitzen wahrgenommen
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Bild 1 von 6. 1. Rang. An der Spitze liegt wie schon bei der Befragung im letzten Herbst FDP-Präsident Thierry Burkart. 69 Prozent der FDP-Wählerinnen und -Wähler schreiben ihm einen positiven Effekt auf das Abschneiden der Partei zu. Bildquelle: KEYSTONE/Michael Buholzer.
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Bild 2 von 6. 2. Rang. Auf Burkart folgt Mitte-Präsident Gerhard Pfister auf Platz zwei: 65 Prozent der Mitte-Wählerinnen und -Wähler sind der Meinung, dass Pfister auf das Abschneiden ihrer Partei einen positiven Effekt hat. Bildquelle: KEYSTONE/Urs Flueeler.
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Bild 3 von 6. 3. Rang. GLP-Präsident Jürg Grossen hat das SP-Co-Präsidium auf den vierten Platz verdrängt. Der Präsident der Grünliberalen wird von 54 Prozent der GLP-Wählenden als positiv beurteilt. Bildquelle: KEYSTONE/Alessandro della Valle.
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Bild 4 von 6. 4. Rang. Die SP-Spitze mit Cédric Wermuth und Mattea Meyer hat Rückhalt bei der eigenen Basis eingebüsst. Statt 54 Prozent schreiben noch 50 Prozent dem Co-Präsidium einen positiven Effekt auf das Abschneiden der Partei zu. Dafür sind 12 Prozent der Meinung, das Duo wirke sich negativ auf den Erfolg der Partei aus. Bildquelle: KEYSTONE/Peter Schneider.
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Bild 5 von 6. 5. Rang. SVP-Präsident Marco Chiesa hat sich im Vergleich zur letzten Befragung im Herbst 2022 leicht verbessert: 50 Prozent der Wählerbasis findet, er habe einen positiven Einfluss auf die Partei. In der Rangliste zeigt sich das nicht, Chiesa bleibt auf dem zweitletzten Platz. Bildquelle: KEYSTONE/Martial Trezzini.
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Bild 6 von 6. 6. Rang. Der Parteipräsident der Grünen, Balthasar Glättli, kann nur 44 Prozent der Parteibasis von sich überzeugen. Allerdings können ihn 21 Prozent nicht einschätzen. Bildquelle: KEYSTONE/Salvatore Di Nolfi.
Klima, Zuwanderung, Prämien
Zu den drei wichtigsten politischen Herausforderungen zählen neben dem Klimawandel und der Energiewende wieder die Zuwanderungsthematik sowie die Krankenkassenprämien.
Durch die Debatte um Flüchtlinge, Flüchtlingsunterkünfte und hohe Netto-Zuwanderungszahlen ist auch die Migrationsthematik wieder in den Fokus gerückt. Dennoch ist die Situation laut den Experten nicht mit jener bei den Wahlen 2015 vergleichbar, als die SVP mit 29.4 Prozent Wähleranteil ein absolutes Spitzenergebnis erzielte.
Damals prägten die Debatten um die Masseneinwanderungs-Initiative, das Attentat auf Charlie Hebdo und die syrische Flüchtlingskrise das Bewusstsein. «Die Stimmung ist eine andere», sagt Michael Hermann. Das linke Lager verliert aktuell zwar leicht zugunsten der Rechten. «Wir sind aber noch weit von einer Korrektur wie 2015 entfernt.»