Die Schweiz ist stolz auf die Nähe der Politiker-Elite zum Volk. Nur in wenigen Ländern können Spitzenpolitiker den ÖV nutzen oder einkaufen gehen, ohne behelligt zu werden. Symbol dieser Nähe ist der Bundesplatz.
Jetzt aber stören sich rechte Politiker zunehmend daran, wie der öffentliche Raum rund ums Bundeshaus von der Stadt Bern verwaltet wird. Ein Vorstoss im Nationalrat will nun, dass Bundesrat und Parlament sowie der Kanton Bern und die Stadt Bern gemeinsam über den Raum rund ums Bundeshaus entscheiden. Dies gefällt nicht allen.
«Demonstrationen als Chance»
Etwa Iris Menn von Greenpeace befürchtet, dass die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger leiden: «Wir sind dezidiert dagegen, dass Demonstrationen oder ziviler Ungehorsam mehr beschränkt werden sollen, denn sie gehören zu unserer Demokratie dazu. Sie gestalten unsere Demokratie.» Stattdessen sollten Politikerinnen Demonstrationen auf dem Bundesplatz als Chance sehen, um ihre eigene Politik zu reflektieren, sagt Menn.
Die Befürchtung bezüglich Einschränkungen dürfte nicht unbegründet sein. Das Büro des Nationalrates, das den Vorstoss eingereicht hat, schreibt denn auch in der Motion, die heutige Situation, in der die Stadt Bern allein über die Nutzung des öffentlichen Raums rund um das Bundeshaus entscheidet, sei unbefriedigend. Lärm, Vandalismus oder militante Aktionen störten den Bundesbetrieb und die Sitzungen.
«Es war eine brenzlige Situation»
Für Marcel Dettling, Präsident der SVP, gibt es allerdings auch bei den Grundrechten Grenzen. Als Beispiel nennt er die Pro-Palästinenser-Demonstrationen vom vergangenen Mittwoch. Es seien hier Buhrufe und Schimpfworte gegenüber Politikerinnen und Politikern gefallen, und es gehe auch um Sicherheit. «Es war eine brenzlige Situation, und wir mussten nachher Umwege nehmen, um ins Hotel zu gelangen», so Dettling.
Dettling moniert, die Stadt Bern gehe allgemein zu lasch mit den Demonstranten um. Immer wieder gebe es Ausnahmen: etwa die Frauen-Demo sei eine solche. Oder als der Bundesplatz 2020 von Klima-Demonstranten besetzt wurde, habe die Polizei zu lange nicht eingegriffen.
«Polizei an Verhältnismässigkeit gebunden»
Demgegenüber sagt Reto Nause, Sicherheitsdirektor der Stadt Bern und Mitte-Nationalrat: «Der Bundesplatz ist der Platz der Demokratie, der Platz auch des Protests.» Beschimpfungen von Demonstranten seien zwar belastend für Politiker, «aber ein Politiker steht in der Öffentlichkeit. Man muss auch ein hartes Fell haben». Und bei unbewilligten Spontandemonstrationen könne die Polizei die Menge nicht einfach mit Gummischrott und Tränengas auflösen. «Hier ist die Polizei an die Verhältnismässigkeit gebunden», so Nause.
Fakt ist, eigentlich gilt seit Jahrzehnten auf dem Bundesplatz ein Demonstrationsverbot während der Sessionen. Dieses Verbot weichte die Stadt Bern, die für den Bundesplatz verantwortlich ist, vor drei Jahren auf. Fortan lässt sie Demonstrationen auf dem Bundesplatz mit weniger als 50 Personen zu.
Menn von Greenpeace begrüsst diese Praxis der Stadt Bern und sagt: «Die freie Meinungsäusserung ist ein Grundrecht. Selbstverständlich soll sie gewaltfrei sein, das gilt auch für die Sprache.» Es gehe letztendlich darum, dass die Politiker auch mit den Leuten von der Strasse im Gespräch blieben. Dazu gehöre auch, dass Politikerinnen Wut zur Kenntnis nähmen.