Die Frauenhäuser sind voll. Alle kämpfen mit demselben Problem: zu wenig freie Zimmer, zu viele schutzsuchende Frauen. Ausweichmöglichkeiten gibt es kaum mehr. Die Frauen bei Platzmangel ausserkantonal unterbringen – so wie es bisher gang und gäbe war – geht nicht mehr: Die schweizweit hohe Auslastung macht es fast unmöglich.
In St. Gallen wird das Frauenhaus beispielsweise regelmässig überbelegt. «Sonst hätten wir nicht genug Platz für all die Frauen», sagt die Geschäftsleiterin des Frauenhauses, Silvia Vetsch.
In Bern arbeiten die Beratungsstellen mit gewöhnlichen Hotelbetrieben zusammen. «Wir müssen andauernd Frauen in Hotels unterbringen», sagt die Berner Fachberaterin Verena Siegenthaler. «Unsere drei Frauenhäuser sind nonstop überlastet.»
Immer wieder rufe die Opferhilfe an, gibt eine Berner Hotelleitung an. «Manchmal kommen drei Frauen pro Woche, dann wieder nur eine oder auch mal niemand. Manchmal mit Kindern, manchmal ohne.» Das Hotel ist eines von gut einem Dutzend, die der Opferhilfe Hand bieten und regelmässig Frauen aufnehmen. Um die Frauen zu schützen, bleibt der Betrieb anonym.
Immer mehr, immer länger
Wegen des Platzmangels in den Berner Frauenhäusern mussten allein in den Monaten Juli und August rund zwanzig Frauen in Hotels untergebracht werden. Zum Vergleich: Im Vorjahr waren es in der gleichen Zeitspanne vier Frauen. «Es hat deutlich zugenommen, und wird auch nicht plötzlich wieder abnehmen», ist Verena Siegenthaler überzeugt.
Es werden aber nicht nur immer mehr Frauen in Hotels untergebracht, sie bleiben auch immer länger dort – mittlerweile oft bis zu einer Woche. «Das ist problematisch», so Fachberaterin Siegenthaler. Die Sicherheit sei nicht gewährleistet. Denn: Anders als das Frauenhaus ist das Hotel ein öffentlich zugänglicher Ort.
Sicherheit gefährdet, keine Betreuung
«Diskretion ist das A und O», heisst es vonseiten des Berner Hotelbetriebs. «Wir behandeln die Frauen wie normale Hotelgäste und fragen nicht weiter nach.» Nicht, weil man sich nicht für die Frauen interessiere, sondern um sie nicht zu gefährden. Weniger Informationen bedeute mehr Sicherheit für die Frauen. «Das Personal weiss, dass es auch daheim nichts erzählen darf. Keine Bemerkung, unter keinen Umständen.»
Problematisch an der Hotelplatzierung, vor allem wenn sie länger dauert, ist gemäss Verena Siegenthaler auch die fehlende Betreuung: «Diese Frauen sind in einer prekären Situation und bräuchten dringend eine Ansprechperson.» Die Frauen würden zwar einmal pro Tag telefonisch kontaktiert, aber: «Die wirklich dringenden Fragen können bei einer Hotelplatzierung nicht geklärt werden.»