Würden wir, anstatt ein Drittel aller Lebensmittel wegzuschmeissen, diese essen, würden wir so viel CO₂ einsparen, wie es der Hälfte des gesamten Schweizer Strassenverkehrs entspricht. Es besteht also enormer Handlungsbedarf. Deshalb soll der Foodwaste bis 2030 um 50 Prozent gesenkt werden – mit einer branchenübergreifenden Vereinbarung. Nun sind Arbeitsgruppen aus Industrie, Gastronomie und Detailhandel aktiv, berichtetet Susanne Blank vom Bundesamt für Umwelt (Bafu).
Bis jetzt gibt es nur grobe Branchenschätzungen von 2017 und jede Branche hat andere Ansatzpunkte. In der Gastronomie geht es darum, besser zu planen, flexiblere Menüs anzubieten, Portionen besser an die Bedürfnisse der Kunden anzupassen. In der Industrie, wo fast 40 Prozent der Lebensmittelverschwendung anfallen, stellt sich die Frage, was mit den sogenannten Nebenströmen geschehen soll.
Bei der Mehlproduktion gehe es etwa um die Kleie, so Blank, bei der Milchproduktion sei es die Molke und bei der Fleischproduktion gebe es Stücke, die vom Kunden nicht gekauft würden. «Da gilt es, Lösungen zu suchen», sagt Blank.
Das Haltbarkeitsdatum ist nur eine Qualitätsgarantie.
Der Detailhandel selber ist zwar kein allzu grosser Verschwender, weil er mittlerweile gelernt hat, mit Halbpreis und Spenden seinen Verlust zu reduzieren. Doch er ist die Schnittstelle zum Konsumenten.
Ein grosses Problem ist das Mindesthaltbarkeitsdatum. Dieses werde falsch verstanden, sagt Claudio Beretta von der Organisation foodwaste.ch. «Es ist nur eine Qualitätsgarantie, es besagt nicht, dass nach dem Datum das Lebensmittel verdorben ist», erläutert Baretta, der an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften zum Thema Lebensmittelverschwendung forscht und auch in den Arbeitsgruppen der Branchen mithilft.
Er sagt auch, die Politik gehe zu zaghaft beim Thema Foodwaste vor. Der Konsument gehe vergessen. Dabei sei er für ein gutes Drittel der Lebensmittelverschwendung verantwortlich, sprich: Er kaufe ein, um es danach wegzuwerfen.
Deshalb fordert Claudio Baretta eine Kampagne und verweist aufs Ausland. «Dass Kampagnen einen Effekt haben können, zeigt England», sagt er. Dort sei der Foodwaste in Haushalten binnen fünf Jahren dank einer solchen Kampagne um 20 Prozent zurückgegangen. Das sei effizient eingesetztes Steuergeld: Pro Kampagnenfranken konnte man Foodwaste im Wert von 84 Franken sowie 8 Franken Entsorgungskosten einsparen.
Bund: Kein Geld für Kampagnen
Beim Bund winkt man ab: Dafür gebe es kein Geld im aktuellen Programm, zudem sei man nicht überzeugt, dass eine Kampagne vom Bund wirke. Dafür wolle man Foodwaste in der Schule thematisieren, und die Detailhändler sollten auf die Konsumenten zugehen. Wenn bis 2025 keine greifbaren Resultate vorliegen, kann der Bundesrat verpflichtende Massnahmen verordnen, um das ambitionierte Ziel einer Halbierung bis 2030 zu erreichen. Beim Bafu ist man aber überzeugt, dass das nicht nötig sei.
Vielleicht müsse man ausserdem auch über Lebensmittelpreise nachdenken. Kein Land gebe gemessen am Einkommen so wenig Geld für das Essen aus. Insbesondere das Fleisch sei viel zu billig, weil es hoch subventioniert sei und auch die Umweltkosten nicht inbegriffen seien, erklärt Claudio Baretta. Allerdings sei die Schweiz keine Insel und für den Einkaufstourismus müsste man eine Lösung haben.