Eigentlich könnte er seinen Ruhestand geniessen. Doch er kümmert sich um die medizinischen Anliegen der rund 340 Ukrainerinnen und Ukrainer im Kanton Glarus, die vor dem Krieg in ihrem Heimatland geflüchtet sind.
«Ich wollte mein Patent abgeben, dann hiess es: Nein, wir haben noch eine Aufgabe für dich», sagt der 75-jährige Martin Bendel. Er ist der Hausarzt für Geflüchtete im Kanton Glarus. In seiner Arbeit in einer Praxis in Schwanden wird er von einer medizinischen Praxisassistentin und einer Dolmetscherin unterstützt.
Initiative des Kantons
Betrieben wird die Hausarztpraxis für geflüchtete Ukrainerinnen und Ukrainer vom Kanton Glarus. Der Grund: In bestehenden Hausarztpraxen ist es für sie schwierig, einen Termin zu bekommen.
Wir brauchen auch für die Geflüchteten eine medizinische Grundversorgung, ohne die Hausarztpraxen weiter zu belasten.
Die Hausarztpraxen im Kanton Glarus sind bereits stark ausgelastet, erklärt der Kantonsarzt Jörg Allmendinger. «Wir brauchen auch für die Geflüchteten eine medizinische Grundversorgung, ohne die Hausarztpraxen weiter zu belasten.»
Der Kanton Glarus übernimmt die Kosten für die medizinische Praxisassistentin und die Dolmetscherin – der Hausarzt Martin Bendel wird über Versicherungsbeiträge entlöhnt.
Der Kanton sei auf das Entgegenkommen des pensionierten Arztes angewiesen gewesen, sagt Kantonsarzt Jörg Allmendinger. «Mit einem jüngeren Kollegen wäre das wirtschaftlich nicht machbar gewesen.» Martin Bendel müsse mit seinem Engagement in Schwanden nicht seinen Lebensunterhalt verdienen.
Vorbild Liechtenstein
Auf die Idee, eine kantonale Hausarztpraxis für Geflüchtete anzubieten, kam der Glarner Kantonsarzt bei einem Gespräch mit einem Kollegen aus dem Fürstentum Liechtenstein. «Dort gibt es eine Wohneinrichtung mit einem pensionierten Arzt, der die gesamte Gesundheitsversorgung anbietet.»
Dann sei es schnell gegangen. Er sei auf Praxisräume in Schwanden aufmerksam gemacht worden, die nur noch teilweise genutzt werden. Anschliessend suchte er das Gespräch mit dem pensionierten Hausarzt Martin Bendel, der sich bereit erklärte, die Praxis zu leiten.
Keine normale Hausarztpraxis
Der Glarner Kantonsarzt Jörg Allmendinger betont, dass die Praxis für Geflüchtete keine Konkurrenz für bestehende Praxen im Kanton ist. «Wenn jetzt jemand denkt, ich brauche einen Hausarzt und gehe dahin, geht das nicht. Dafür ist sie nicht gedacht.»
Die Zielgruppe sei klar geregelt. Die Hausarztpraxis ist ausschliesslich für Menschen mit Schutzstatus S und Personen unter Nothilfe.