Ganze 16 verschiedene Medikamente nehmen Spitex-Patientinnen und -Patienten im Durchschnitt gleichzeitig ein. Zum Vergleich: Bewohnerinnen und Bewohner von Pflegeheimen nehmen durchschnittlich 9 Medikamente parallel ein. Also deutlich weniger. Das zeigt der jährliche Arzneimittelreport der Krankenkassen Helsana.
Je mehr Medikamente eingenommen werden, desto höher ist das Risiko, dass es zu unerwünschten Wirkungen kommt, Medikationsfehler passieren – und dass Patienten notfallmässig ins Spital müssen.
Dass Spitex-Patientinnen und -Patienten so viele Medikamente mehr einnehmen, sei problematisch, sagt Eva Blozik, Leiterin Gesundheitswissenschaften bei der Helsana. Es könne sogar gefährlich sein: «Je mehr Medikamente eingenommen werden, desto höher ist das Risiko, dass es zu unerwünschten Wirkungen kommt, Medikationsfehler passieren – und dass Patienten notfallmässig ins Spital müssen.»
Dabei stellt die Untersuchung des Krankenversicherers fest, dass Medikamente oft auch über längere Zeit eingenommen werden, wodurch sich die Gefahr von Nebenwirkungen verstärkt. So nimmt ein Viertel aller Spitex-Patientinnen und -Patienten regelmässig Schlafmittel ein. Bei verschiedenen Medikamenten, insbesondere bei Schlafmitteln, gebe es auch eine Suchtgefahr, so der Bericht.
Spitex nicht Schuld daran
Warum Spitex-Patienten mehr Medikamente erhalten? Den Grund dafür sieht Blozik darin, dass sie oft bei mehreren Ärztinnen und Ärzten in Behandlung sind, die nichts voneinander wissen. Wichtig ist zu erwähnen, dass die Spitex nicht verantwortlich ist für die Situation, weil sie selbst ja keine Medikamente verschreibt. Für Blozik von Helsana ist auf jeden Fall klar: Es bestehe Handlungsbedarf, es brauche mehr Koordination. «Es ist offenbar so, dass ein besserer Informationsaustausch zur Medikation notwendig ist – also ein Medikamentenplan.»
Darin würden dann alle verschriebenen Medikamente festgehalten, sodass die verschiedenen behandelnden Ärzte den Überblick haben. Gemäss Eva Blozik brauche es jemanden, der nahe bei den Patienten ist und diese regelmässig sieht und diesen Medikamentenplan kontrolliert: «Aus unserer Sicht bietet es sich an, dass die Spitex eine unterstützende oder koordinierende Rolle übernimmt, sodass der Apotheker und behandelnde Ärzte die Medikation überprüfen und allenfalls anpassen können.»
Zusammenarbeit zwischen Spitex und Ärzten stärken
Diese Idee kommt bei den Spitex-Organisationen gut an. Carla Meyer arbeitet bei der Spitex der Stadt Luzern, sie spricht für Spitex Schweiz, wenn sie sagt, dass die Spitex diese Aufgabe schon heute wahrnehme – so gut es gehe: «Ich bin überzeugt, dass es zusätzlichen Bedarf gibt. Wichtig ist einfach, dass man es institutionalisiert und etwa die Medikationstherapie regelmässig hinterfragt und neu beurteilt. Dort gibt es sicher noch Luft nach oben, dass man das in der Zusammenarbeit besser verankert.»