Rund um den Letzigrund tummeln sich abertausende «Swifties». Viele haben kein Ticket ergattert, aber wollen trotzdem Teil dieses für sie speziellen Anlasses sein. Mitten im «Swiftie»-Getümmel: Timea.
Heute wird ein Traum für sie wahr: Taylor Swift live in Zürich. «Für die Tickets, Reisen zu den verschiedenen Konzerten und die Kostüme habe ich total rund 3000 Franken ausgegeben», erklärt Timea. Die 20-Jährige widmet seit über zehn Jahren ihr Leben Taylor Swift – eine «Vollzeit-Swiftie».
Es sind Taylor Swifts erste Konzerte, die in der Schweiz stattfinden. Nicht nur das ist ein Novum, mit der «Eras Tour» bricht die 34-jährige Sängerin sämtliche Rekorde und hievt sich damit definitiv in den Musik-Olymp.
Die ersten Töne dröhnen aus dem Letzigrund, die Massen singen draussen wie drinnen mit, Tränen fliessen, Freude pur, die Stimmung ist elektrisierend.
Das Zimmer von Timea ist voller Schallplatten, passende Taylor-Outfits liegen in einer Kiste bereit. Um ihrem Idol nahe zu sein, hat Timea für die «Eras Tour» gleich vier Tickets gekauft: «Zweimal in Zürich, einmal in London und einmal in Wien.»
Mit der «Eras Tour» zieht Taylor Swift derzeit durch Europa. Städte werden von den «Swifties» überlaufen, Hotels sind völlig ausgebucht – und auch um die Stadien herum verfolgen tausende Fans ihren Star.
Und wenn Taylor kommt, braucht es Platz für genau diese «Swifties». In Edinburgh sorgte die Meldung für einen Aufschrei, dass Obdachlose aus der Stadt gebracht werden sollen, um für die knapp 200'000 Fans Platz zu schaffen. Die Konzerte bringen dafür auch immer einen Schub für die lokale Wirtschaft – Experten sprechen hier bereits von «Swiftonomics». Auch in Zürich sind die meisten Hotels ausgebucht.
«Miss Americana»
Doch was macht die Faszination Taylor Swift aus, warum begeistert sie so viele Menschen rund um den Globus? Die Sängerin habe Timea durch alle Lebensphasen begleitet und wenn sie ihre Lieder höre, sei es, als würde Taylor Swift sie verstehen. «Es fühlt sich an, als wäre sie eine Freundin», so Timea. «Und weil sie mich schon so lange begleitet, hat sich dies auch fest in meine Persönlichkeit eingebunden.»
Die Nahbarkeit der Pop-Ikone sei eine grosse Stärke von Taylor Swift. In der Psychologie spricht man von «parasozialen Beziehungen»: Fans haben das Gefühl, die Künstlerin wirklich zu kennen, und investieren Zeit, Leidenschaft und emotionale Initiative, während Taylor Swift die wenigsten ihrer treusten «Swifties» persönlich kennt. Das kann zu falschen Erwartungen seitens ihrer Gefolgschaft führen.
Absolute Zahlen, absoluter Wahnsinn
Dass Timea «Swiftie» ist, zeigen auch ihre Streamingzahlen: Sie hat 2023 über 20'000 Minuten (knapp 2 Wochen am Stück) Taylor-Swift-Lieder gehört und zählt damit bei Spotify zu den absoluten Top Fans. «Das macht mich schon ein wenig stolz», so Timea. Insgesamt wurde Taylor Swift im Jahr 2023 über 26 Milliarden Mal gestreamt auf Spotify. Sie belegt damit Platz eins der Streamingzahlen weltweit. Schweizweit belegt die Sängerin jedoch «nur» Platz zwei nach «The Weeknd».
Auch mit ihrer aktuellen «Eras Tour» knackt sie jegliche Bestmarken: Es ist davon auszugehen, dass ihre aktuelle Tour 1.5 Milliarden Dollar umsetzen wird – einsame Spitze. Zuvor belegte Elton John Platz eins: Seine Bruttoeinnahmen über 930 Millionen Dollar erscheinen da fast wenig.
Easter Eggs
Zeitaufwändig ist jedoch nicht nur die Musik. Die «Swifties» und Taylor Swift sprechen eine ganz eigene Sprache miteinander – über sogenannte «Easter Eggs», Ostereier. Diese geheimen Botschaften in Songs und Videos werden von den «Swifties» sehnlichst erwartet und von Taylor Swift bewusst eingesetzt.
Das Dechiffrieren dieser Easter Eggs haben sich die Swifties zur Aufgabe gemacht – jede Songzeile, jede Geste wird interpretiert und man versucht daraus Schlüsse zu ziehen. Bei dieser Suche könne man auch etwas verrückt werden: «Bei jedem Text, den Taylor schreibt, fragt man sich – will sie uns damit etwas sagen? Man kommt teilweise richtig in einen Stress», erklärt Timea.
Hype ist real
Früher wurde Timea teilweise belächelt für ihr Idol, heute ist sie als «Swiftie» nicht mehr allein – das «Swiftie-Universum» hat die Schweiz in ihren Bann gezogen. Dies zeigen auch die diversen Partys in Clubs, die sich nur der Künstlerin widmen.
Bei den «Taylor-Swift-Partys» kommen «Swifties» aus der ganzen Region zusammen und feiern zur Musik von Taylor Swift – und zwar nur zu Taylor Swift.
An diesen Partys verstehen mich die Menschen, und ich verstehe sie.
Im Club wimmelt es von «Swifties», die im pulsierenden Licht der Discokugeln tanzen – und sie alle schreien Taylor Swifts Texte in die Nacht. Für Timea ein besonderes Gefühl: «Hier habe ich das Gefühl, dass die Menschen verstehen, wer ich bin und ich verstehe, wer sie sind.»
Nach wenigen Minuten bilden sich neue Bekanntschaften – Taylor als gemeinsames Idol schweisst zusammen. Es werden Freundschaftsbänder ausgetauscht – jeder richtige «Swiftie» hat solche dabei – und man vernetzt sich. «Meine Freundin Lina habe ich über Instagram kennengelernt, sie war dort auf der Suche nach weiteren Taylor-Swift-Fans.»
Der ganze Hype fühlte sich für Timea teilweise surreal und verkehrt an. Denn es gäbe mittlerweile auch falsche «Swifties». «Früher waren wir wenige Fans und wurden belächelt, und genau diese Leute kaufen jetzt alle Tickets weg und drängen sich in die erste Reihe.» Es sei für viele wohl einfach ein Modetrend, und so sei man als «Swiftie» gar nichts Spezielles mehr.
Ökologische Antiheldin
So sehr Taylor Swift verehrt wird, so prasselt auch immer wieder Kritik auf sie nieder. Vor allem ihr Flugverhalten wird getadelt. So soll Swift ihr Privatflugzeug für einen 13-minütigen Flug in St. Louis im US-Bundesstaat Missouri von einem Teil der Stadt zu einem anderen benutzt haben. Im Jahr 2022 war sie der Promi mit den meisten Privatjet-Flügen. Auch Timea sieht dies teils problematisch, «es wird von uns Fans aber auch gewissermassen erwartet, dass sie an so vielen verschiedenen Orten ist und Konzerte spielt.»
Bei den zwei ausverkauften Konzerten in Zürich müssen Fans für die günstigste Stehplatzkategorie 168 Franken zahlen, Sitzplätze gibts für knapp 300 Franken. «Ich finde es schade, dass durch die hohen Ticketpreise Leute auch ausgeschlossen werden», für Timea müsste hier etwas passieren. Andere «Swifties» verteidigen Taylor aber gleich wieder, sie wäre nicht die Künstlerin, die über die Ticketpreise entscheiden könne.
Schlangestehen ab 5 Uhr morgens
Die ersten Trams rattern am Letzigrund vorbei, da stehen, beziehungsweise sitzen, einige «Swifties» bereits in der Schlange. Dies wäre eigentlich erst ab 10 Uhr erlaubt gewesen, aber die Chance, weit vorne das Konzert verfolgen zu dürfen, wollten sich viele Fans nicht nehmen lassen.
Sie haben ein ganz eigenes System entworfen, wie Alina Eichenberger berichtet, welche die erste in der Reihe ist: «Das Fan-Nummernsystem funktioniert so: Die erste Person, die hier ist, schreibt sich die Nummer 1 auf die Hand. Weitere Fans bekommen der Reihe nach chronologisch Nummern auf den Handrücken geschrieben. Um zehn Uhr dürfen wir in dieser Reihenfolge vor dem Letzigrund in die echte Schlange stehen.»
Traum wird wahr
Zürich scheint an diesem Dienstag unter der erbarmungslosen Sonne zu schmelzen, es werden 32 Grad erwartet. Am Ende der Strasse flimmert der Letzigrund in der Hitze. Viele «Swifties», die teilweise schon seit den frühen Morgenstunden vor dem Stadion ausharren, schützen sich mit Isolierdecken vor der Sonne.
Doch das alles ist Timea in diesem Moment nun egal – endlich sieht sie ihren Star. «Ich verfolge sie schon so lange, aber habe sie noch nie real gesehen. Wie wirkt sie, wie gross ist sie wirklich?» Jetzt ist der grosse Moment gekommen, Taylor Swift erscheint auf der Bühne – und Timea ist so nahe an ihrem Idol wie noch nie.