Im Fokus steht das Cyber-Team des Schweizer Geheimdienstes. Die Cyber-Spezialisten beschafften zwischen 2015 und 2020 Daten und speicherten diese teils grosszügig. Ohne Bewilligung, nach eigenem Gutdünken.
Im Frühling 2021 sah sich der NDB gezwungen, die sogenannte Cyber-Affäre intern zu untersuchen. Der Bericht dazu ist bis heute geheim.
Untersuchung gegen grosse Widerstände
SRF Investigativ hat nun per Öffentlichkeitsgesetz eine teilgeschwärzte Zusammenfassung erlangt. Diese zeigt: Das interne Untersuchungsteam stiess von Beginn an auf Schwierigkeiten.
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Bild 1 von 2. Um gegen Hacker vorzugehen, kann der Nachrichtendienst auch Daten beschaffen oder in Computer eindringen. Er braucht dafür aber eine richterliche Bewilligung. (Symbolbild). Bildquelle: Keystone/ Sascha Steinbach .
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Bild 2 von 2. Das Satelliten-Abhörsystem des Nachrichtendienstes des Bundes, im Juli 2015 in Zimmerwald. Bildquelle: Keystone/ Peter Schneider .
So habe das Team nicht alle Berechtigungen gehabt, «um notwendige Informationen auf dem Geschäftsverwaltungsprogramm einzusehen.» In einem Fall habe «die Dokumentation der nachrichtendienstlichen Tätigkeiten mehrheitlich gefehlt.»
Ex-Geheimdienst-Chef in schlechtem Licht
Laut dem Bericht versuchte Jean-Philippe Gaudin, der damalige Direktor des NDB, die Untersuchung klein zu halten. Man habe bei ihm schon in den ersten Tagen beantragt, die Aufarbeitung an eine externe Stelle zu vergeben, heisst es. Weil «das Untersuchungsteam bereits früh die Komplexität und den Umfang der Abklärungen erkannte». Doch: «Die Anträge wurden jeweils abgelehnt.»
Es sei beantragt worden, das Untersuchungsteam zu vergrössern. «Kurz darauf wurde das Untersuchungsteam verkleinert.» Auch verengte Gaudin den Kreis der Mitwisser: So sollte zunächst die Geschäftsleitung informiert werden. Kurz nach Beginn «entschied der Direktor NDB, dass ausschliesslich er über die Ergebnisse der Untersuchung informiert wird.»
Dazu führte die Art und Weise, wie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter befragt wurden, zu Aufruhr. So habe es teilweise «Reaktionen und Äusserungen bezüglich einer ‹Hexenjagd›» gegeben, heisst es im Bericht.
Zeitgleich wurde die Cyber-Affäre offenbar als so gravierend beurteilt, dass Köpfe rollten.
Abgang des Cyber-Chefs
Der Fall Cyber führte nämlich zum Abgang des Teamleiters. Das bestätigen zwei unabhängige Quellen gegenüber SRF Investigativ. Im internen Bericht ist von einer «Trennung» die Rede. Der Geheimdienst trennte sich also von jener Person, welche die illegale Datenbeschaffung verantwortet hatte – ohne dies der Öffentlichkeit zu kommunizieren.
Die Cyber-Affäre beschäftigte auch die Geschäftsprüfungsdelegation des Parlaments. Die GPDel prüfte eine formelle Inspektion und lud im Herbst 2021 Verteidigungsministerin Viola Amherd zu einer Aussprache.
Wichtige Fragen sind ungeklärt
Kurz danach gab das Verteidigungsdepartement eine externe Administrativuntersuchung in Auftrag.
Doch die Aufarbeitungsversuche überzeugten nicht. Das schrieb ausgerechnet die Aufsichtsbehörde über den Nachrichtendienst AB-ND. Die bisherigen Untersuchungen «liessen die AB-ND zum Schluss kommen, dass nach wie vor nicht alle relevanten Fragen beantwortet wurden», heisst es im letztjährigen Tätigkeitsbericht. Sie nahm in der Folge eine eigene Untersuchung in Angriff.
Auf Anfrage schreibt der NDB, es stehe ihm nicht zu, «Äusserungen seiner Aufsichtsbehörde zu kommentieren.» Die Ergebnisse beider Untersuchungen seien von den Auftraggebern akzeptiert worden und hätten Massnahmen im Bereich Cyber ausgelöst. «Nach Kenntnis des NDB sind die beiden fraglichen Untersuchungen korrekt verlaufen.»
«Zwei anonyme Schreiben»
Die Unzufriedenheit mit der Aufarbeitung der Cyber-Affäre scheint indes gross. Die Aufsichtsbehörde schreibt von «zwei anonymen Schreiben». Auch seien ihr «weitere interne Informationen aus dem NDB zugetragen» worden.
Eben erst teilte die AB-ND mit, der Bericht zur Cyber-Affäre verzögere sich erneut, werde aber 2024 abgeschlossen. Es ist eine weitere Chance, in der Cyber-Affäre endlich Klarheit zu schaffen.