Im deutschen Bundesland Thüringen standen Hunderte Schlange für eine Bratwurst. Eine solche gab es als Belohnung fürs Impfen. In den USA führten einzelne Bundesstaaten Lotterien mit Millionen-Jackpots durch und konnten so die Impfrate steigern.
Die Idee kam spät
Monate später kam auch der Schweizer Bundesrat auf die Idee, die stockende Impfkampagne mit einer Belohnung anzukurbeln. Der oder dem Impfwilligen für den Piks direkt 50 Franken zu bezahlen, das getraute sich die Landesregierung dann aber doch nicht.
Die Experten des Bundes kamen zum Schluss, dass man so möglicherweise zu viel Druck auf Nichtgeimpfte ausüben würde. Eine direkte Belohnung sei zudem rechtlich heikel.
Als «Schweizerische Lösung» angedacht
In der Bundesverwaltung griff man zu einem Kniff: Nicht die Geimpften sollten die Belohnung in Form eines 50-Franken-Gutscheins erhalten, sondern jene Person, die ihren Freund oder Nachbarn zur Impfung motivieren würde. Eine klassische Schweizer Lösung – könnte man meinen.
Doch die Idee fiel bei den Kantonen völlig durch: Selten wurde in einer Vernehmlassung zu Corona-Massnahmen so viel Kritik laut wie zur Idee des 50-Franken-Gutscheins. Monetäre Anreize seien der falsche Weg, sagten die Kantone.
Und man müsse sich auch überlegen, wohin das führe: Die Gefahr sei gross, dass auch bei künftigen Gesundheitskampagnen Prämien ausgesetzt würden. Und sich kritische Personen in Zukunft nur noch dann solidarisch zeigen, wenn sie etwas erhalten würden.
Rechtliche Bedenken und scharfe Kritik
Auch Staatsrechtler schalteten sich ein: Sie hinterfragten, ob der Bundesrat überhaupt eine Rechtsgrundlage für solche Impfprämien habe. Denn im Epidemiengesetz ist nur festgehalten, dass der Bund die Bevölkerung informieren darf.
Die scharfe Kritik aus den Kantonen, aber auch von vielen Bürgerinnen und Bürgern in den sozialen Medien, zeigt: In der Schweiz bewirken finanzielle Anreize oft das Gegenteil. Sie fördern möglicherweise sogar noch die Skepsis gegenüber dem Impfen. Wenn der Staat eine Belohnung aussetzt, dann kann etwas nicht stimmen, mögen wohl einige denken.
Gerade die jetzt noch Impfkritischen müssen frei entscheiden können. Beratung und Aufklärung durch den Hausarzt oder durch geschultes Personal in den Impfbussen würde wesentlich mehr bringen, sind die Kantone überzeugt.
Bundesrat folgt den Kantonen
Der Bundesrat hat die Kritik der Kantone ernst genommen. Eine Impfwoche im November, die von einer grossen medialen Kampagne begleitet wird, sowie mehr Impfbusse und Beraterinnen und Berater sollen es nun richten. So hofft man, die jetzige Impfquote – aktuell sind rund 70 Prozent der Personen ab 18 Jahren geimpft – nochmals um mindestens 10 Prozentpunkte steigern zu können.
Wegen eines Gutscheins von 50 Franken wären am Ende wohl auch wenige motiviert gewesen, ihre impfkritischen Nachbarn oder Freunde zu überzeugen. In der reichen Schweiz – das zeigen viele Kommentare zum Thema im Netz – hat die Aussetzung einer Prämie fast schon etwas Unmoralisches.