Der Bundesrat will heute neue Corona-Massnahmen beschliessen. «Es wurde höchste Zeit», sagt der Infektiologe Andreas Cerny. Die Vorschläge gehen ihm aber zu wenig weit und kommen seiner Ansicht nach zu spät, wie er im Interview erklärt.
SRF News: Genügen die vorgeschlagenen Massnahmen des Bundes?
Andreas Cerny: Es sind relativ milde Massnahmen, wenn wir uns beispielsweise an den Massnahmen messen, die Österreich eingeführt hat. In Österreich zeigen diese jetzt Erfolg und haben eine Tendenz zur Kehrtwende herbeigeführt. Ich persönlich habe Zweifel, dass die Massnahmen in der Schweiz genügen.
Ich habe Zweifel, dass die Massnahmen in der Schweiz genügen.
Der Bundesrat begründet die vorgeschlagenen Massnahmen mit der neuen Omikron-Variante. Die Zahlen steigen aber schon länger, auch aufgrund der Delta-Mutation. Hätte man da nicht auch schon früher eingreifen sollen?
Wahrscheinlich schon. Jede Welle, die die Schweiz ergriffen hat, hat eine unterschiedliche Epidemiologie. Jetzt haben wir eine Welle, die eigentlich relativ langsam auf uns zugerollt ist. Es gab klare Anzeichen, dass das auf uns zukommt und dass da Massnahmen wahrscheinlich früher hätten ergriffen werden sollen.
Man hat sich ja in der Hoffnung zurückgelehnt, dass die Impfung wirkt und Geimpften genügend Schutz bietet. Hat sich das im Nachhinein ein bisschen als Illusion herausgestellt?
Es ist klar, das Virus nimmt sich jenen Weg, wo es offene Türen findet. Das sind im Moment die Kinder. Der Teil der Bevölkerung, der derzeit den grössten Anstieg zeigt, sind die 10- bis 19-Jährigen. Diese Alterskategorie hat fast doppelt so viele Fälle wie andere Kategorien. Und: Unter den Kindern haben wir natürlich viel Ungeimpfte.
Es ist wichtig, dass wir jetzt mit den Boostern vorwärtsmachen.
Es wird langsam eine Epidemie der Geimpften, die sich in den ersten Monaten dieses Jahres haben impfen lassen. Deshalb ist es wichtig, dass wir jetzt mit den Boostern vorwärtsmachen.
In vier Wochen ist Weihnachten. Wie kriegen wir das hin, dass wir vielleicht auch in der Grossfamilie zusammen feiern können?
Ich denke, wir müssen diese Massnahmen jetzt rasch einführen und auf den Effekt abwarten. Es geht etwa zwei bis drei Wochen. Wie gesagt, Österreich hat es geschafft. Dort ist die Kehrtwende ganz klar über mehrere Tage sichtbar. In Österreich wird man wahrscheinlich etwas ruhiger Weihnachten feiern können als bei uns.
Das Gespräch führte Tobias Gasser.