Die Neutralitätsinitiative, die der Schweiz Verteidigungsbündnisse und die Teilnahme an Sanktionen weitgehend untersagen will, ist am Start. Die Initiantinnen und Initianten haben bis zum 8. Mai 2024 Zeit, die nötigen 100'000 Unterschriften zu sammeln. Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Was wollen die Initianten genau? Die Neutralität soll in der Bundesverfassung verankert werden. Im Artikel 54 soll festgehalten werden, dass die Schweiz keinem Militär- oder Verteidigungsbündnis beitreten darf, es sei denn, die Schweiz würde direkt militärisch angegriffen. Trainings mit ausländischen Partnern blieben laut Komitee aber zulässig, und friedensfördernde Einsätze der Armee könnte das Parlament weiterhin bewilligen. Untersagt würden der Schweiz «nichtmilitärische Zwangsmassnahmen» gegen Krieg führende Staaten. Damit gemeint sind etwa Sanktionen, wie sie die Schweiz aktuell gegen Russland mitträgt.
Wer steckt hinter der Initiative? Lanciert wurde die Initiative von Pro Schweiz. Der Verein besteht aus Mitgliedern der ehemaligen AUNS (Aktion für eine unabhängige und neutrale Schweiz), der Organisation «Nein zum schleichenden EU-Beitritt» und der Unternehmer-Vereinigung gegen den EU-Beitritt. Vize-Präsident des Vereins ist Walter Wobmann. Der SVP-Nationalrat hat bereits die Verhüllungs- und Minerettinitiative zum Erfolg geführt. Alt Bundesrat Christoph Blocher, Treiber der Neutralitätsinitiative von 2013, ist nicht im Komitee dabei. Er hatte sich in den vergangenen Monaten für die Neutralitätsinitiative starkgemacht
Sind die Initiantinnen und Initianten mit ihrer Forderung alleine? Bereits 2013 wollte die damalige AUNS die Neutralität in die Verfassung schreiben lassen. Die AUNS ist dabei aber bereits bei der Unterschriftensammlung gescheitert. Ausserdem plant auch die aus der Coronapandemie hervorgegangene Gruppierung «Massvoll» aktuell eine Initiative. Mit ihrer «Souveränitätsinitiative» will die Gruppierung, dass die Schweiz keine völkerrechtlichen Verpflichtungen eingeht, die in die Schweizer Grundrechte der Bürger eingreifen.
Wieso wird die Initiative genau jetzt lanciert? Bundespräsident Ignazio Cassis sprach im Zusammenhang mit den EU-Sanktionen gegen Russland von «kooperativer Neutralität». Die Initianten und Initiantinnen sehen darin eine Erosion des Neutralitätsbegriffes. «Nun sprechen wir nicht mal mehr von der differenziellen Neutralität, sondern von einer kooperativen», sagt Historiker Rene Roca an der Pressekonferenz. Damit sei die Schweiz weiter gegangen, als in anderen Konflikten.
Was sagt der Bundesrat? Die Rechte und Pflichten eines neutralen Staates regelt das Neutralitätsrecht gemäss den Haager Abkommen von 1907, wie das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten schreibt. Der Bundesrat hält es nicht für zweckmässig, eine weitergehende Verankerung des Kerninhalts der Neutralität in die Verfassung und auch in Gesetze zu schreiben. Dies würde den sicherheits- und aussenpolitischen Spielraum der Schweiz einschränken.
Wie stehen die anderen Parteien zur Neutralitätsinitiative? Gegen die Initiative stellen sich FDP, die Grünliberalen, die Mitte und Linke. Doch sie sind uneinig, was die richtige Neutralitätspolitik ist. Linke- und Mittepolitikerinnen und -Politiker verlangen einen noch forscheren Kurs als heute. SP-Nationalrat Fabian Molina zum Beispiel fordert neue Sanktionen gegen den Iran und China.