Die Arbeitsämter in den Kantonen werden gerade überschwemmt von Stellenmeldungen der Wirtschaft. Seit 1. Juli müssen gewisse Branchen offene Stellen dem Arbeitsamt melden. So will es die Umsetzung der vom Volk 2014 angenommenen Zuwanderungsinitiative der SVP. Nun zeigt sich, dass die Unternehmen deutlich mehr Stellen melden, als man bei Bund und Kanton angenommen hatte.
Verunsicherte Arbeitgeber
Vor allem in den grossen Kantonen Zürich und Waadt, aber auch in Basel-Stadt gingen deutlich mehr Stellenmeldungen ein, als man erwartet hatte. Dies melden die Kantone auf Anfrage von SRF übereinstimmend. Beim zuständigen Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) will man die Zahlen noch nicht kommentieren.
Es werden auch viele Stellen gemeldet, die gar nicht meldepflichtig wären.
Allein im Kanton Zürich wurden seit dem 1. Juli 3200 Stellen gemeldet, wovon 2000 aus den meldepflichtigen Branchen stammten und 1200 freiwillig gemeldet wurden. Auf die Schweiz hochgerechnet sind das rund 10'000 meldepflichtige Stellen im ersten Monat der Meldepflicht. Gerechnet hatte man ursprünglich mit rund 60'000 Stellen pro Jahr. Die Meldungen im Juli fielen also mehr als doppelt so hoch aus wie erwartet wurde.
Mehrere 100 Stellenvermittler nötig
«Es werden auch viele Stellen gemeldet, die gar nicht meldepflichtig wären», sagt Edgar Spieler, Leiter Arbeitsmarkt im Zürcher Amt für Wirtschaft und Arbeit (AWA). Viele Arbeitgeber wollen auf Nummer sicher gehen und melden auch Stellen, die von der neuen Regelung gar nicht betroffen wären. Der Kanton Zürich hat, wie die meisten grossen und mittelgrossen Kantone, ein eigenes Stellenvermittlungszentrum eingerichtet, um die neue Aufgabe zu bewältigen. Zur Zeit arbeiten dort 18 Stellenvermittler.
Seit dem 1. Juli müssen freie Stellen gemeldet werden, wenn die Arbeitslosigkeit in der Branche höher ist als acht Prozent. Am 1. Januar 2020 soll diese Schwelle auf fünf Prozent gesenkt werden. Allein der Kanton Zürich braucht dann mindestens 50 Mitarbeiter, um die gemeldeten Stellen zu verarbeiten – das heisst, die Stellen mit den Dossiers der gemeldeten Stellensuchenden abzugleichen. Die Bürokratie für die Umsetzung der angenommenen SVP-Initiative dürfte damit schweizweit schon bald einige 100 Beamte beschäftigen.
Verärgerte Wirte
Weitaus am meisten freie Stellen werden aus der Gastronomie gemeldet. Im Kanton Zürich ist es jede zweite gemeldete Stelle. Da die Arbeitslosigkeit sowohl beim Küchenpersonal wie bei den Hotelfachangestellten schweizweit über acht Prozent beträgt, sind praktisch alle Stellen in der Gastro-Branche meldepflichtig. Rund 30 Prozent sind gemeldete Stellen in Bau und Industrie, die restlichen 20 Prozent sind kaufmännische Berufe. Die hohe Zahl der Stellenmeldungen im Juli ist zum Teil saisonal bedingt, da im Sommer gerade in der Gastronomie und auf dem Bau Leute gesucht sind.
Es ist nicht nur ein schlechtes Gesetz. Es wird auch noch schlampig umgesetzt. Eine Frechheit!
In der Gastro-Branche hat die neue Meldepflicht für freie Stellen einigen Ärger verursacht. «Es ist nicht nur ein schlechtes Gesetz», ärgert sich Gastrosuisse-Präsident Casimir Platzer, «es wird auch noch schlampig umgesetzt. Eine Frechheit!» Platzer führt ein Hotel in Kandersteg. Pflichtbewusst hat er Anfang Juli eine offene Stelle für ein Zimmermädchen gemeldet. Statt der gesetzlichen fünf Tage musste er 22 Tage warten, bis er die Stelle ausschreiben durfte. Die Stellenmeldung war 17 Tage auf dem AWA des Kantons Berns liegengeblieben.
Technische Probleme
«Technische Probleme», heisst es dazu im Seco. Der verantwortliche Kanton Bern wollte nicht Stellung nehmen. Das Problem sei aber behoben und die Weiterleitung der gemeldeten Stellen funktioniere jetzt, beschwichtigt das Seco. Gastrosuisse hat die Stellenmeldepflicht von Beginn an kritisiert. Die Wirte befürchteten Probleme aufgrund der veralteten Berufsliste. Das Seco unterscheidet etwa nicht zwischen Küchenchefs und Küchengehilfen, was den Gastronomen die Suche nach guten Küchenchefs zusätzlich erschwert, weil sie diese Stellen nun auch dem AWA melden müssen, obwohl es kaum arbeitslose Küchenchefs gibt.
«Man hat uns schnelle Abhilfe versprochen», ärgert sich der höchste Schweizer Wirt, «nun will man bis Ende Jahr erst einen Entwurf der neuen Berufsliste in die Vernehmlassung schicken.» Bis die Berufsliste dann wirklich angepasst wird, könnte es über ein Jahr dauern. Das beim Bund zuständige Seco will sich nicht zu den ersten Erfahrungen mit der Stellenmeldepflicht äussern. Man könne erst nach sechs Monaten, also frühestens Anfang 2019, eine erste Zwischenbilanz ziehen.