Vergangene Woche hat Bundesanwalt Michael Lauber seinen Rücktritt angeboten. Über das Wochenende stand dann jedoch nicht mehr die Personalie im Vordergrund, sondern die Bundesanwaltschaft selbst – und deren Organisation. Inlandredaktor Iwan Santoro über die Institution und ihre problematischen Punkte.
SRF News: Wofür ist die Bundesanwaltschaft eigentlich zuständig?
Iwan Santoro: Diese Liste ist sehr lang. Zu den wichtigsten Gebieten zählen Wirtschaftskriminalität, Geldwäscherei, organisierte Kriminalität, Korruption, Sprengstoffanschläge, Delikte gegen völkerrechtlich geschützte Personen wie etwa Bundesräte, Parlamentsmitglieder und hohe Staatsbeamte. Immer dann, wenn auch der Staat als solcher bedroht sein könnte, kommt die Bundesanwaltschaft zum Zug. Zudem ist sie auch Ansprechpartnerin für andere Staaten, wenn es um derartig grosse Fälle geht.
Seit wann gibt es diese Form der staatlichen Bundesanwaltschaft?
Die gibt es schon seit der Gründung der modernen Schweiz 1848. Bereits damals war aber ein bisschen der Wurm drin. Der erste Bundesanwalt trat vorzeitig zurück – allerdings aus Mangel an Arbeit. Mindestens darüber können sich die heutigen Bundesanwälte nicht beklagen.
Heute haben Bundesanwälte wohl viel komplexere Fälle?
Das ist so, die Welt ist globalisierter geworden. Es gibt immer mehr verstrickte Fälle, organisierte Kriminalität und Korruption. Das kam in den 1990er-Jahren immer mehr auf, und da begannen auch die Probleme mit den Bundesanwälten, respektive Bundesanwältinnen: Carla del Ponte als erste Bundesanwältin schrieb sich gross auf die Fahne, effizient gegen die Mafia vorzugehen.
Dann kam Nachfolger Valentin Roschacher, der reagierte noch glückloser. Er versteifte sich so in einen Fall, dass er einen Ex-Drogenboss als V-Mann einsetzte. Deshalb musste er dann auch gehen. Sein Nachfolger Erwin Beyeler wurde sogar vom Parlament abgewählt. Seit der Neustrukturierung der Bundesanwaltschaft in den 1990er-Jahren, scheinen die Bundesanwälte mit dieser Machtfülle und ihren Kompetenzen nicht wirklich umgehen zu können.
Deshalb werden auch wieder Vorschläge für Reformen laut. Welche werden diskutiert?
Verschiedene Möglichkeiten werden jetzt von Experten geprüft und dann wird das Parlament über das weitere Vorgehen entscheiden. Ein Vorschlag wäre, alles zurück auf Feld eins wie vor den 1990er-Jahren zu setzen. Die Bundesanwaltschaft würde eher die koordinierende Rolle einnehmen und die Fälle würden bei den Kantonen gelöst werden. Ob das heute wirklich noch funktionieren würde in dieser globalen Welt mit Mafia und Fifa-Skandalen, da würde ich ein Fragezeichen setzen.
Seit der Neustrukturierung der Bundesanwaltschaft, scheinen die Bundesanwälte mit dieser Machtfülle nicht wirklich umgehen zu können.
Eine andere Möglichkeit ist, dass dem Amt des Bundesanwalts die Kompetenzen beschnitten würden. Das heisst, ihm würde ein Gremium dazugestellt, er wäre nicht mehr alleine. Da ist die Frage, wer die Bundesanwältinnen und Bundesanwälte wählen würde. Neu macht dies das Parlament. Aber da hat es auch Fragezeichen gegeben, etwa bei der Wiederwahl von Michael Lauber letzten Winter, weil dasselbe Parlament nun seinen Rücktritt fordert. Nun steht zur Diskussion, ob wieder der Bundesrat den Bundesanwalt wählen soll. Zuerst warten wir aber ja gespannt, wann Lauber sein Pult räumen wird.
Das Gespräch führte Valérie Wacker.