Die kurdisch geführten Truppen im Norden Syriens haben hunderte Männer, Frauen und Kinder in ihrem Kampf gegen die Terrormiliz «Islamischer Staat» (IS) gefangen genommen. Unter diesen Gefangenen befindet sich seit einem Jahr auch eine Schweizer Mutter mit ihrem bald zweijährigen Kind. SRF hatte den Fall im Sommer 2018 publik gemacht und mit der Frau vor Ort gesprochen.
Schweizer Pass für IS-Kind
Die Familie der Frau aus Lausanne versucht, die Schweizer Behörden zu überzeugen, dass die Schweiz insbesondere dem Kind helfen müsse. In einem Entscheid vom Dezember 2018 schreibt der Friedensrichter des Bezirks Lausanne, der Vormund des Kindes in der Schweiz müsse alle nötigen Abklärungen in die Wege leiten, um das Kind in die Schweiz zu holen.
Die Behörden im Kanton Waadt haben inzwischen denn auch erreicht, dass dem Kind ein Pass ausgestellt wird. Es war 2017 auf dem Territorium der Terrormiliz IS zur Welt gekommen. Auch habe die Kindesschutzbehörde (KESB) abgeklärt, wo das Kind nach einer Rückkehr untergebracht werden könnte – ob bei Verwandten oder in staatlicher Obhut.
Bundesrat steht vor heiklem Entscheid
Offen ist, wie das Kind in die Schweiz zurückgebracht werden könnte. Die kurdische Lokalverwaltung in Nordosten Syriens hat die Schweiz aufgefordert, ihre Bürger zurückzuholen und sprach von insgesamt fünf Fällen, darunter das Kind. Die Situation ist schon seit Monaten festgefahren, weil die Lokalverwaltung international nicht anerkannt ist und das schweizerische Aussendepartement dort konsularisch nicht vertreten ist.
Umstritten ist etwa die Frage, ob auch die Mutter des Kindes sowie allenfalls der Vater des Kindes ebenfalls rückgeführt werden sollen. Gegen die Eltern hat die Bundesanwaltschaft (BA) ein Strafverfahren wegen Verdachts auf Mitgliedschaft beim IS eröffnet.
Der Ball liegt beim Bundesrat. Ein Entscheid steht bevor, wie das Verteidigungsdepartement auf Anfrage von SRF bestätigt: «Gestützt auf ein von den betroffenen Departementen gemeinsam erarbeitetes Dokument behandelt der Sicherheitsausschuss des Bundesrates (SiA) das Thema im Hinblick auf einen Entscheid des Bundesrates. Letzterer wird sich zu gegebener Zeit zu diesem Thema äussern.»
Wie mit Schweizer IS-Gefangenen umgehen?
Der Umgang mit den Schweizer IS-Gefangenen sorgt unter Schweizer Aussenpolitikern noch vor dem Bundesratsentscheid für Diskussionen. SRF hat die Positionen von CVP, SVP und SP eingeholt. Elisabeth Schneider-Schneiter (CVP/BL), Präsidentin der Aussenpolitischen Kommission des Nationalrats (APK-N), sieht derzeit keine schnelle Lösung. Eine Trennung von Mutter und Kind kann sie sich nicht vorstellen.
Auch Nationalrat Carlo Sommaruga (SP/GE) ist der Meinung, das Kind dürfe nicht von der Mutter getrennt werden. Er geht noch weiter: Die Schweiz solle rasch aktiv Anstrengungen unternehmen, um alle Schweizer Inhaftierten zurückzuholen – und hier allenfalls strafrechtlich zu verfolgen.
Roland Rino Büchel (SVP/SG) Mitglied der APK-N, fordert, dass Doppelbürgern, die in den sogenannten Dschihad gereist sind, das Schweizer Bürgerrecht entzogen wird und damit die Rückkehr in die Schweiz verhindert wird. Das sei auch bei inhaftierten Doppelbürgern zu vollziehen. Bei Schweizern ohne Doppelbürgerschaft solle sich der Bund aufs Minimum beschränken und solle bestimmt keinen Aufwand für Rückführungen betreiben – mit einer Ausnahme – dem Kind.