In Marrakesch in Marokko hat die Jahrestagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) begonnen. Für die Schweiz reist Finanzministerin Karin Keller-Sutter an das Treffen. SRF hat die Bundesrätin zum exklusiven Gespräch empfangen.
SRF News: China und andere Schwellenländer drängen darauf, im IWF mehr Einfluss zu erhalten. Unterstützt die Schweiz die Forderung Chinas?
Karin Keller-Sutter: Die Schwellenländer haben heute bereits eine starke Stimme im IWF. Alle grossen Schwellenländer haben einen Sitz im Exekutivrat und China sogar einen Einzelsitz. Für die Schweiz ist es einfach zentral, dass der IWF seine Rolle als wirtschaftspolitischer Berater und auch als Krisenmanager spielen kann.
Die Schweiz ist nicht gegen eine Anpassung der aktuellen Stimmgewichte.
China hätte aber rein rechnerisch gemäss der IWF-Formel Anrecht auf rund 14 Prozent der Stimmrechte, besitzt derzeit aber nur sechs Prozent. Ist die Schweiz bereit, China zu einem höheren Anteil zu verhelfen?
Es ist tatsächlich so, dass China ein höheres Stimmengewicht zugute hätte. Wenn man dies aber ändern will, braucht es 85 Prozent der Stimmen. Das ist sehr viel. Die Schweiz ist nicht gegen eine Anpassung der aktuellen Stimmgewichte – wir sind ja auch untervertreten. Aber eine solche kann man nicht von heute auf morgen machen. Und zum andern dürfte sie nicht zulasten von kleinen, offenen Volkswirtschaften gehen, wie die Schweiz eine ist.
Und es bräuchte die USA. Die sind derzeit dagegen, China mehr Einfluss zuzubilligen. Die USA haben auch das Vetorecht. Was bedeutet diese Situation für die Zukunft des IWF?
Man muss schon sagen, dass das Vetorecht der USA natürlich nicht in jedem Fall greift. Es gibt gewisse Entscheide, wo einfach das höhere Stimmgewicht der USA den Ausschlag gibt. Man muss auch zugeben, dass das, was man hier sieht, typisch ist für die weltpolitische Lage. Das widerspiegelt sich in multilateralen Organisationen wie dem IWF und auch in der Zusammenarbeit. Aber bislang ist es trotzdem immer gelungen, dass der IWF seine Rolle als Stabilisator der Wirtschafts- und der Währungspolitik wahrnehmen kann.
Wir wären nicht dagegen, dass man diskutiert, wie man diese IWF-Mittel allenfalls umschichten könnte.
Die Direktorin des IWF, Kristalina Georgieva, sagt, der IWF brauche mehr Geld, um den globalen Krisen begegnen zu können. Teilen Sie diese Ansicht und ist die Schweiz bereit, mehr einzuzahlen?
Die aktuelle Mittelausstattung des IWF ist aus unserer Sicht ausreichend. Es hat sich auch gezeigt, dass während der Pandemie die Aufgaben erledigt werden konnten. Die Schweiz ist also der Meinung, dass es keine Aufstockung braucht. Wir wären aber nicht dagegen, dass man diskutiert, wie man diese IWF-Mittel allenfalls innerhalb der Organisation umschichten könnte: von ausserordentlichen Mitteln hin zu regulären Mitteln. Wichtig ist aber, dass der IWF allein keine globalen Krisen bewältigen kann. Und die Kredite sind auch nur dann wirksam, wenn gleichzeitig Reformanstrengungen in den Empfängerländern umgesetzt werden.
Der IWF muss seine Stärken weiter ausspielen können und dort stark sein, wo es wichtig ist.
Stichwort Reformen: Der IWF vergibt Kredite an Staaten in finanziellen Schwierigkeiten. In den letzten Jahren hat er aber auch damit begonnen, Kredite für Massnahmen gegen den Klimawandel oder zur Armutsbekämpfung zu sprechen. Kritiker sagen, das sei nicht die Aufgabe des IWF. Teilen Sie diese Meinung?
Die Hauptaufgabe des IWF ist es, die internationale Währungs- und Finanzstabilität zu garantieren. Aber man kann sich dem nicht verschliessen, dass es gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklungen wie das Armutsrisiko oder den Klimawandel gibt. Der IWF muss dem sicherlich auch Rechnung tragen. Das heisst aber nicht, dass man daraus ein Hauptthema macht. Man darf sich nicht zu stark verlagern. Der IWF muss seine Stärken weiter ausspielen können und dort stark sein, wo es wichtig ist. Und es gibt ja auch noch die Weltbank, die eine Rolle spielen kann.
Das Gespräch führte Philipp Burkhardt.