Über 20’000 Menschen sind wegen des Ukraine-Kriegs bisher in die Schweiz geflüchtet. Diese Menschen sollen auch arbeiten können, so hat es der Bundesrat entschieden. Einer, der das Potenzial sieht, ist Tino Senoner, Chef von Dynajobs. Die Firma baut eine Plattform zur Stellenvermittlung speziell für Geflüchtete aus der Ukraine auf.
SRF News: In welchen Branchen können Ukrainerinnen und Ukrainer Ihrer Meinung nach arbeiten?
Tino Senoner: Wir sehen das Potenzial vor allem bei offenen Stellen, wo es schwierig ist, Mitarbeitende zu finden und wo Unternehmen bereit sind, in die Weiterbildung zu investieren. Dies betrifft die Gesundheitsbranche, aber auch alles, was mit den Güterlieferketten zu tun hat. Dies ist branchenübergreifend und geht vom Logistikbereich über den Transportbereich. Auch zum Beispiel die Industrie leidet unter diesen Problemen.
Sie sprechen von Logistikunternehmen. Was konkret sind diese Jobs und welche Fähigkeiten braucht es dafür?
Die Jobs gehen von einfachen Stellen wie im Bereich Lagerverwaltung und Lagerbewirtschaftung bis weiter zum Transportwesen, wo zum Beispiel die Lastwagenlizenz benötigt wird. Aber es sind auch sehr komplexe Stellen wie im Bereich der HR-Digitalisierung oder des Supply-Chain-Managements.
Wenn das Unternehmen in die Weiterbildung investiert, wird es die Personen sicher behalten wollen.
Inwiefern werden Ukrainerinnen und Ukrainer genau dort in die Lücke stossen können, wo Fachkräftemangel herrscht?
Es wird nicht der Fall sein, dass sie alle genau in die Lücken stossen. Es wird mit einer gewissen Weiterbildung, wir nennen das Upskilling, möglich sein, diese Personen zu den Stellen zu bewegen.
Für diese Stellen braucht es Ausbildung, vielleicht auch Sprachkenntnisse. Wie gross sind die Hindernisse?
Die grössten Hindernisse sind nicht die Sprachkenntnisse, sondern sie sind in den Köpfen der Menschen. Zum Beispiel: Könnte eine Frau einen LKW fahren? Wenn die Antwort dazu Ja wäre, dann haben wir genügend Unternehmen, die bereit wären, diese Ausbildung zu geben. Es ist die Vorstellung, was die Menschen alles können, damit man auch das Potenzial sieht und dann schaut, welche Weiterbildung die passende wäre.
Die grössten Hindernisse sind nicht die Sprachkenntnisse, sondern sie sind in den Köpfen der Menschen.
Sie arbeiten an einer Plattform, die Stellen vermittelt. Wie gross schätzen Sie das Potenzial ab?
Von den 20'000 muss man die Personen abziehen, die nicht arbeiten könnten oder wollten. Zum Beispiel Kinder und Jugendliche. Wenn wir rechnen, dass ungefähr ein Drittel der Personen gut vermittelbar wäre, dann sollten auf diese 6000 Personen etwa 4000 wirklich dabei helfen können, den Fachkräftemangel zu decken. Die genauen Zahlen haben wir nicht, das ist eine vorsichtige Schätzung.
Wie können Sie sicherstellen, dass diese Menschen von ihren Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern nicht ausgenutzt werden?
Wir reden von Stellen mit Weiterbildung und mit Fachkräftemangel. Das sind Menschen, die gesucht werden. Wenn das Unternehmen in die Weiterbildung investiert, wird es die Personen sicher behalten wollen.
Und deshalb zählen Sie auch darauf, dass die Firmen tatsächlich in diese Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter investieren?
Darauf zählen wir nicht nur, dafür haben wir auch schon sehr viele Bestätigungen. Die Unternehmen zählen darauf, dass wir bei der Vorselektion der Personen schauen, dass sie das maximale Profil mitbringen. Und dass wir Menschen selektionieren, die die Herausforderung, sich weiterbilden zu lassen, annehmen möchten.
Das Gespräch führte Sandro Della Torre.