- Die Genfer Berufungs- und Revisionsstrafkammer hat Erwin Sperisen der Beihilfe zum Mord an sieben Häftlingen in Guatemala schuldig gesprochen.
- Der ehemalige Chef der nationalen Zivilpolizei Guatemalas wurde zu 14 Jahren Haft verurteilt.
- Sperisens Verteidigung kündigt einen Weiterzug des Falls an.
- Sperisen wurde bereits früher von der Genfer Justiz verurteilt, nach einer Intervention des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte hob das Bundesgericht jenes Urteil jedoch auf.
Der erste Staatsanwalt Yves Bertossa hatte am 4. September die Genfer Berufungs- und Revisionsstrafkammer ersucht, Erwin Sperisen der Beihilfe zum Mord an Häftlingen in Guatemala schuldig zu sprechen. Er forderte eine Haftstrafe von 14 Jahren für ihn.
Die wehrlosen Opfer hätten unter Sperisens Schutz gestanden, sagte die Vorsitzende der Berufungs- und Revisionsstrafkammer. Sie seien auf «feige und brutale Weise» erschossen worden. Für die Kammer war Sperisen sehr wohl ein Komplize. Sie folgte deshalb der Staatsanwaltschaft. Die Verteidigung will erneut ans Bundesgericht gelangen.
In diesem vierten Prozess befanden die Richter die Zeugen als besonders glaubwürdig. Gemäss ihren Aussagen war Erwin Sperisen in seiner Funktion als Polizeichef über die Machenschaften des Killerkommandos informiert, das die Häftlinge hinrichtete.
Flucht in die Schweiz
Sperisen war 2007 von Guatemala in die Schweiz geflohen, um sich der Strafverfolgung in Guatemala zu entziehen. 2012 wurde er aufgrund eines Rechtshilfeverfahrens in Genf verhaftet und sass anschliessend fünf Jahre in Untersuchungshaft. Als Besitzer eines Schweizer Passes konnte er nicht ohne sein Einverständnis ins Ausland ausgeliefert werden.
Im April 2018 wurde Sperisen im zweiten Anlauf vom Genfer Kantonsgericht zu 15 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt – wegen Gehilfenschaft zu Mord in sieben Fällen. Es ging um eine Operation vom September 2006 in Guatemala, mit der die Kontrolle über ein Gefängnis zurückerlangt werden sollte. Dabei starben sieben Häftlinge.
Bis vor EGMR
Das Bundesgericht bestätigte das Urteil im November 2019. Sperisens Anwälte akzeptierten den Entscheid jedoch nicht und gelangten an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR). Dieser kam im Juni 2023 zum Schluss, dass die Präsidentin der Beschwerdekammer des Genfer Berufungsgerichts befangen war.
Gestützt auf diesen Entscheid hob das Bundesgericht am 18. Oktober 2023 die Verurteilung Sperisens auf und wies den Fall zurück an die Genfer Gerichte. Noch am selben Tag wurde Sperisen aus der Haftanstalt Witzwil BE entlassen.