Die Entwicklung eines Impfstoffes gegen das Coronavirus treibt Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu Höchstleistungen an. Das zeigt sich auch im Gespräch mit Lukas Jaggi vom Heilmittelinstitut Swissmedic. Er sagt, es bestehe Hoffnung, dass Mitte bis Ende nächsten Jahres ein Impfstoff zum Schutz vor Covid-19 verfügbar ist.
SRF News: Wie lange dauert die Entwicklung eines Impfstoffes im Schnitt?
Lukas Jaggi: Normalerweise rechnen wir mit sechs bis acht Jahren – im besten Fall. Bei Corona sind schon fast 30 Impfstoff-Kandidaten in klinischen Versuchen, werden also am Menschen getestet. Das heisst, die Vorklinik, die normalerweise allein fünf Jahre dauert, hat man unter der Dringlichkeit in rund sechs Monaten geschafft. Die Entwicklungszeiten sind mit nichts von dem, was wir in der Vergangenheit erlebt haben, vergleichbar.
Was braucht es, bis ein Impfstoff überhaupt zugelassen werden kann?
Das läuft in international harmonisierten Phasen ab. Es beginnt mit der vorklinischen Phase. Im Labor und an Tierversuchen wird die Verträglichkeit des neuen Impfstoffes getestet. Dann gibt es drei sogenannte klinische Phasen. In Phase 1 wird der Impfstoff zuerst an einer kleinen Gruppe Freiwilliger getestet.
Auf der Liste der WHO gibt es inzwischen 165 registrierte Impfstoff-Kandidaten. Das ist eine unglaubliche Zahl.
In Phase 2 hat man bis zu ein paar hundert Probanden. Da geht es vor allem darum, die Immunreaktion und die Dosierung besser herauszufinden. Phase 3 ist die letzte Phase mit Tausenden von Probanden. In der Regel verabreicht man den einen Probanden den Impfstoff und der anderen Gruppe ein Placebo. Damit will man herausfinden, wie Wirksamkeit, Qualität und Sicherheit des Impfstoff-Kandidaten sind.
Weltweit wartet man auf einen Impfstoff zum Schutz vor Covid-19. Besteht da nicht die Gefahr, dass man etwas übersieht – weil alles schnell gehen soll?
Denkbar ist, dass man einen Impfstoff nur mit bestimmter Indikation zulässt – dass man zum Beispiel nur bestimmte Alters- und Bevölkerungsgruppen prüft und sie nur für diese Gruppe freigibt; und dann unter Umständen weitere Bevölkerungsgruppen testet und die Indikation erweitert.
Gerade seltene Nebenwirkungen sieht man häufig erst später, wenn ein neuer Wirkstoff in einer grösseren Bevölkerungsgruppe angewandt wird.
Wichtig ist auch, dass man, wenn eine Zulassung erfolgt ist, die Nebenwirkungen aufmerksam und sehr eng verfolgt. Denn wir wissen alle, dass kein Medikament frei von Nebenwirkungen ist. Gerade seltene Nebenwirkungen sieht man häufig erst später, wenn ein neuer Wirkstoff in einer grösseren Bevölkerungsgruppe angewandt wird.
Wagen Sie eine Prognose, wann wir einen Impfstoff gegen das Coronavirus haben?
Das ist sehr schwierig zu sagen. Es hängt von den Resultaten der einzelnen klinischen Studien ab. Eine weitere Herausforderung ist die Impfstoffproduktion in genügender Menge und nicht zuletzt auch die Verteilung: Fast acht Milliarden Menschen sind potenzielle Empfänger eines solchen Impfstoffes. Wenn alles gut geht, können wir hoffen, dass wir Mitte bis Ende nächsten Jahres in einem bestimmten Land genügend Impfstoff in guter Qualität haben.
Das Gespräch führte Raphaël Günther.