Noch letzte Woche wollten die beiden Departemente nichts sagen, die von Verteidigungsministerin Amherd frontal mit der Beschuldigung attackiert worden waren, sie hätten hinter ihrem Rücken mit Frankreich verhandelt.
Jetzt ändert sich das. Finanz- und Aussendepartement bestätigen in einem wesentlichen Punkt, was SRF letzte Woche aufgedeckt hat: der Auftrag, mit allen anbietenden Herstellerländern von Kampfjets Verhandlungen über «politische Gegengeschäfte» zu führen, kam von VBS-Chefin Amherd selbst.
Spezialausschuss des Bundesrats
Gelaufen ist die Aktion über den dreiköpfigen «Sicherheitsausschuss» SiA des Bundesrates, der von Verteidigungsministerin Amherd geleitet wird. Auch Bundespräsident Ignazio Cassis und Justizministerin Karin Keller-Sutter sind darin vertreten.
Vor dem Kampfjet-Entscheid haben die drei Regierungsmitglieder auch die Generalsekretariate ihrer Departemente in ihre Sitzungen beigezogen, weshalb sich das Gremium «SiA-spezial» nannte.
Das Finanzdepartement (EFD) von Bundesrat Ueli Maurer hält jetzt erstmals gegenüber SRF fest, dass die Staatssekretärin für internationale Finanzfragen, Daniela Stoffel, den «SiA-spezial» dreieinhalb Monate vor dem Kampfjet-Entscheid des Bundesrates über mögliche «politische Gegengeschäfte» mit Frankreich informiert habe: «Am 15. März 2021 hat Staatssekretärin Stoffel an einer Sitzung des SiA teilgenommen und dabei mündlich eine Auslegeordnung der fiskalischen und Finanzmarkt-relevanten möglichen Gegengeschäfte gemacht».
Amherd gab den Auftrag für Gespräche
Der «SiA-spezial» mit VBS-Chefin Amherd hat aufgrund dieser Auslegeordnung noch am gleichen Tag entschieden, die Departemente sollten nun bei allen anbietenden Ländern «evaluieren», ob «politische Gegengeschäfte» möglich wären.
Noch konkreter wurde es einen Monat später, in der April-Sitzung des «SiA-spezial». Dann war Staatssekretärin Livia Leu aus dem Aussendepartement als Gast eingeladen.
Das EDA bestätigt: «Im ‹SiA-spezial› vom 21. April 2021 wurde das EDA gemäss Antrag des VBS beauftragt, die aussenpolitischen Aspekte für den Air2030-Bericht zu koordinieren und eine aussenpolitische Gesamtschau der Beziehungen der Schweiz zu den Herstellerländern zu erstellen».
Bundesrätlicher Ausschuss war informiert
Das war der Zeitpunkt, in dem eine hochkarätige geheime Arbeitsgruppe unter Leitung von Staatssekretärin Livia Leu aktiv wurde, in der auch die Chefin Sicherheitspolitik im VBS von Bundesrätin Amherd, Pälvi Pulli, vertreten war.
Einen Monat später rapportierte Staatssekretärin Leu dem «SiA-spezial» zur Umsetzung des Auftrags. Das EDA schreibt: «Dieser Auftrag wurde mit einer Rückmeldung des EDA im ‹SiA-spezial› vom 17. Mai 2021 erfüllt und damit beendet».
Auf die konkreten Gespräche mit Frankreich über mögliche Gegengeschäfte angesprochen, hält das EDA zur Information von Staatssekretärin Leu im «SiA-spezial» fest: «Selbstverständlich hat sie den SiA über die Gespräche des EDA informiert».
VBS: Ab Mitte Mai keine Verhandlungen mehr
Mit diesen neuen Entwicklungen konfrontiert, bestätigt das VBS nun erstmals, dass es Departementschefin Amherd selbst war, die im «SiA-spezial» den Startschuss zu Abklärungen über mögliche Gegengeschäfte gab. Das VBS schreibt: «Die Chefin VBS hat den Vorsteher EDA gebeten, als für aussenpolitische Fragen federführendes Departement die aussenpolitische Analyse zu übernehmen.»
Das VBS hält aber gleichzeitig daran fest, dass ab Mitte Mai keine Verhandlungen über Gegengeschäfte mehr hätten geführt werden dürfen. Denn zu diesem Zeitpunkt habe Bundesrätin Amherd den «SiA-spezial» darüber informiert, dass der Abstand zwischen dem US-Jet F-35A zu den Mitbewerbern «sehr klar» gewesen sei.
Vier ungeklärte Wochen
Mit den neuesten Enthüllungen schrumpft aber das Zeitfenster, in dem das VBS angeblich nichts von Verhandlungen gewusst haben will, auf die kurze Phase zwischen Mitte Mai und Mitte Juni. Denn in der Sitzung vom 18. Juni wurde der Bundesrat – und damit auch Viola Amherd – über den Stand der Gespräche mit Frankreich informiert, wie die SRF-Recherchen gezeigt haben.
Sowohl das Finanz- und das Aussendepartement halten ihrerseits daran fest, sie hätten das VBS über die «relevanten Entwicklungen» informiert.