Am Anfang dieses Unglücks steht ein junger Kampfjetpilot. Er soll mit einem erfahrenen Kollegen den Luftkampf trainieren. Dicke Wolken sitzen oben in den Bergen rund um den Militärflugplatz in Meiringen. Beide Männer steigen auf, nicht vorschriftsgemäss, die Radarverbindung untereinander klappt nicht, ohne sie kann der junge Pilot bald nichts mehr sehen.
Er funkt den Tower in Meiringen an; der Fluglotse von Skyguide befürchtet eine Kollision der beiden Kampfjets, einer soll sinken, doch die angewiesene Flughöhe ist zu tief. Der F/A-18-Kampfjet mit dem 27-Jährigen zerschellt im Sustenpassmassiv.
Jetzt kämpft der Fluglotse für einen Freispruch. Weil er gar nicht anders handeln konnte, sagt sein Anwalt Philip Bärtschi: «Wir haben heute Morgen wie erwartet keine Alternativen gehört, bei denen man sagen müsste: So hätte man handeln müssen.» Es sei «sehr bezeichnend», dass diese Handlungsalternative noch immer fehle.
Die Richterinnen und Richter am Militärappellationsgericht in Aarau haben mit entsprechenden Fragen versucht, andere Lösungen aufzuzeigen. Etwa den Piloten auf die Seite statt in die Tiefe zu lenken. Oder auf eine Höhe fliegen, die immer noch weit hinter dem sehr hoch vorausfliegenden erfahrenen Piloten gelegen wäre.
Es war ein Dilemma, das man nicht lösen konnte.
Die Verteidigung ist jedoch immer noch überzeugt, dass das Unglück nach einer Verkettung vieler Umstände passierte. Der beschuldigte Fluglotse habe sich an die Vorschriften gehalten und müsse freigesprochen werden.
Zudem habe er für die visuelle Beurteilung nur ein uraltes Radarsystem gehabt, deshalb ist für Bärtschi klar: «Es war ein Dilemma, das man nicht lösen konnte. Schon gar nicht mit dem verfügbaren Arbeitsmaterial.»
Für einen neuen Rundsuchradar ist die Luftwaffe der Armee zuständig. Das Gerät für Meiringen ist laut Armee noch nicht in Betrieb. Es werde aber so geflogen, dass die Überwachung ohne Radar auskommen könne, bestätigt der in Aarau anwesende Skyguide-Manager Urs Lauener.
Die Flugüberwachung habe deswegen kein Sicherheitsproblem: «Es gibt weltweit viele Verfahren, die nicht von der Flugverkehrsleitung kontrolliert werden und die trotzdem sicher sind. Die Abstände zwischen den Piloten müssen ausreichend gross sein und die Kommunikation angepasst werden.» Der Flugbetrieb in Meiringen sei nach wie vor sicher möglich.
In Aarau ringt das Gericht um Details. Der Ankläger, der militärische Staatsanwalt, will härtere Strafen für beide Beschuldigten, die Geldstrafe für den verurteilten Lotsen erhöhen und auch dem freigesprochenen Militärpiloten wegen fahrlässiger Tötung eine bedingte Geldstrafe aufbrummen. Dessen Anwalt winkt ab.
Till Gontersweiler sagt, noch nie sei er vor einer Berufungsverhandlung so sicher gewesen, dass ein Urteil – hier ein Freispruch – bestätigt werde: «Mein Klient hat keinerlei Verletzungen der Sorgfaltspflicht begangen. Die Kausalkette wurde durch den fatalen Funkspruch derart unterbrochen, dass es auch keine Rolle spielen würde, wenn er eine solche Verletzung begangen hätte.»
Einige neue und viele alte Argumente wurden in Aarau vorgebracht. Es wäre eher überraschend, wenn das Appellationsgericht daraus andere Schlüsse ziehen würde als die Vorinstanz. Tatsache bleibt: Ein junger Mann ist ums Leben gekommen. Den Angehörigen und Freunden ist zu wünschen, dass sie nach Abschluss des Verfahrens Ruhe finden können.
Die Urteile werden für Freitag erwartet.