In den Kantonen Solothurn und Wallis finden am Wochenende neben der Volksabstimmung auch Gesamterneuerungswahlen statt. Über 500 Kandidatinnen und Kandidaten bewerben sich beispielsweise für den 100-köpfigen Solothurner Kantonsrat. Die Wechselrate in Kantonsparlamenten ist generell ausserordentlich hoch.
Ein Beispiel ist Jonas Hufschmid, 30 Jahre alt und bereits Alt-Kantonsrat im Kanton Solothurn. Der CVP-Politiker rückte 2016 ins Kantonsparlament nach, wurde einmal wiedergewählt, um dann vor einem Jahr zurückzutreten: «Der Hauptgrund war beruflicher Natur. Ich habe mich dafür entschieden, mich noch stärker beruflich einzubringen und gemerkt, dass nicht beides zusammen geht.»
Die zeitliche Belastung sei oft ein Problem, bestätigt Adrian Vatter, Politologe der Universität Bern. Er hat eine Untersuchung betreut, die sich mit Wechselraten in Kantonsparlamenten auseinandergesetzt hat.
Wechselrate von 25 Prozent als Ideal
Die Studie zeigt laut Vatter: Während einer Legislatur wechseln bis zu 50 Prozent der Mitglieder: «Die Folge ist ein gewisser Wissensverlust und damit auch eine starke Macht von Verwaltung und Regierung. Denn so können die Parlamente weniger ihre Oberaufsichtsfunktion wahrnehmen oder auch neue Vorlagen einbringen.»
Die Folge ist ein gewisser Wissensverlust und damit auch eine starke Macht von Verwaltung und Regierung.
Gemäss Forschung wäre eine Wechselrate von 25 Prozent ideal, so der Politologe. Damit sei eine gute Mischung von neuen Ideen und Erfahrung gewährleistet. Die Untersuchungen der Universität Bern zeigen zugleich, dass die hohe Wechselrate meist nicht durch Abwahl, sondern durch Rücktritte zustande kommt.
Fehlende Zeit als Rücktrittsgrund
Auch Michèle Graber ist zurückgetreten – im Januar nach zehn Jahren als GLP-Kantonsrätin im Kanton Luzern. Auch sie ging aus beruflichen Gründen. Die Zahnärztin sieht aber noch weitere Gründe für die hohe Wechselrate: «Viele Leute unterschätzen wohl die vielfältigen Aufgaben und den Zeitaufwand. Die vielen Vorlagen werden auch komplexer, was einen zusätzlichen Aufwand für eine seriöse Arbeit verlangt. »
Fehlende Zeit sei ein oft genannter Rücktrittsgrund, bestätigt Politologe Vatter. Nicht mangelnde Entlöhnung oder mangelndes Prestige: «Natürlich spielt ein gewisses Ansehen eine Rolle. Auch Politikerinnen und Politiker möchten diese Anerkennung haben. Frühere Umfrage hätten aber gezeigt, dass es nicht so sehr ums Geld gehe, erklärt Vatter. Parlamentarierinnen und Parlamentarier möchten aber mehr Unterstützung und vor allem auch mehr Zeit haben, um ihr Amt ausüben zu können.
Die Stärkung der Parlamentsdienste wäre sicher ein guter Ansatz.
Dazu würde ein professionelles Umfeld gehören: «Eine gewisse Professionalisierung beispielsweise des Umfelds der einzelnen Parlamentarierinnen und Parlamentarier, etwa durch eine Stärkung der Parlamentsdienste, wäre sicher ein guter Ansatz», so Vatter.
Mehr Effizienz wäre etwas, was sich Jonas Hufschmid ausserdem gewünscht hätte. Er, der in einem Start-Up arbeitet, findet, dass es in Diskussionen zu oft um die Selbstprofilierung ging in den so langen Diskussionen: «Für mich war das einfach nicht effizient genug. Ich hätte es bevorzugt, wenn man zielorientierter wäre und die Sache ins Zentrum rücken würde.»
So oder so : Beide Alt-Kantonsmitglieder können sich vorstellen, zu einem späteren Zeitpunkt erneut in der Politik aktiv zu sein. Dies habe oft auch viel Spass gemacht.