Eine Erkrankung, die dem Kawasaki-Syndrom ähnelt, werde aktuell vermehrt bei Kindern in Grossbritannien beobachtet, so die offizielle Mitteilung der britischen Kinder-Intensivärztevereinigung vom vergangenen Montag. Man nehme diese Meldung sehr ernst, sagt Christoph Aebi, Kinderarzt und Infektiologe an der Kinderklinik des Inselspitals Bern.
Beunruhigt sei er aber deswegen nicht: «Wir kennen die Krankheit sehr gut und Kinderärzte sind hervorragend ausgebildet, diese zu erkennen.» Die Diagnose sei nicht einfach, die Krankheit aber behandelbar. «Denn obwohl wir nicht wissen, was die Ursache ist, wissen wir sehr gut, was dagegen zu tun ist», sagt Aebi.
Es ist denkbar, dass Covid-19 einer von verschiedenen infektiösen Auslösern ist, die es braucht, damit diese Krankheit überhaupt manifest wird.
Das Kawasaki-Syndrom ist seit den 1960er-Jahren bekannt und tritt normalerweise vor allem bei Kleinkindern unter fünf Jahren auf. Ohne Behandlung kann es die Herzkranzgefässe angreifen. Als möglicher Auslöser für das Syndrom wird seit Langem eine virale Infektion diskutiert. Ein möglicher Kandidat sind auch Coronaviren. Sowohl solche, die wir als Erkältungsviren schon länger kennen – oder eben nun Sars-Cov-2.
«Es ist denkbar, dass Covid-19 einer von verschiedenen infektiösen Auslösern ist, die es braucht, damit diese Krankheit überhaupt manifest wird», sagt Kinderarzt Aebi. Ob das tatsächlich so sei, lasse sich aufgrund der dünnen Datenlage aber noch nicht sagen.
Wenig belastbare Erkenntnisse
In der Schweiz wurden bisher drei Kinder mit Verdacht auf das Kawasaki-Syndrom oder ähnlichen Erkrankungen ins Spital eingeliefert, allesamt in Genf. Allen geht es mittlerweile deutlich besser, eines der Kinder wurde bereits wieder nach Hause entlassen. Alle waren keine Kleinkinder mehr, sondern zwischen zehn und zwölf Jahre alt – wie auch andere bekannte Fälle aus dem Ausland.
Ja, es gibt bei Kindern schwere Verläufe. Aber sie sind extrem selten.
Das sei untypisch, sagt Klaus-Michael Debatin, ärztlicher Direktor der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendmedizin in Ulm: «Ich würde gerne lesen, was die Patienten wirklich hatten. Ich warte auf eine Zusammenstellung der Daten, die in einem ordentlichen Journal erscheinen und nicht auf solche, die zuerst irgendwie durch die Presse flitzen.»
Debatin hat soeben – zusammen mit Forschenden dreier weiterer Kliniken in Deutschland – eine umfassende Studie zu Covid-19-Ansteckungen bei Kindern gestartet. Dass ein Kind an Kawasaki und Covid-19 gleichzeitig erkrankt ist, sei seines Wissens im Detail und wissenschaftlich erst in einem einzigen Fall beschrieben. Das sechs Monate alte Mädchen aus den USA konnte nach 48 Stunden Behandlung das Spital wieder verlassen.
Coronavirus verschont Kinder meist
Eltern, die in Zeiten der aktuellen Pandemie besorgt sind, ob ihre Kinder nicht vielleicht doch in Gefahr sind, beruhigt Debatin: «Ja, es gibt bei Kindern schwere Verläufe. Aber sie sind extrem selten.» Man müsse das ernst nehmen, hinschauen und alles genau untersuchen. «Aber bisher ist die Datenlage so, dass die Verläufe bei Kindern – selbst wenn sie infiziert und Symptome haben – in der Regel ganz milde sind.»
Was das neue Krankheitsbild der vergangene Wochen angeht, zieht Kinderarzt Aebi folgendes Fazit: «Das ist sehr selten. Wir müssen das aufmerksam beobachten, gestorben ist kaum ein Kind daran. Es gibt sehr wirksame Therapieformen, wie wir solche Entzündungszustände behandeln können.»