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Basel-Stadt: Parlament beschliesst Einrichtung von Förderklassen
Aus Schweiz aktuell vom 18.09.2024.
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Kehrtwende integrative Schule Basel will Förderklassen – 13 Jahre nach Kleinklassen-Aus

Kein anderer Kanton hatte die integrative Schule so konsequent umgesetzt wie Basel. Jetzt kommt aber eine Kehrtwende: Das Parlament sagt Ja zu Förderklassen. Damit dürfte eine hängige Initiative zurückgezogen werden.

  • Bei der Einführung von Förderklassen in Basler Schulen wurde ein Kompromiss gefunden.
  • Der Grosse Rat befürwortet den Gegenvorschlag zur Förderklassen-Initiative deutlich – ohne Gegenstimme.
  • Damit ziehen die Initianten ihre Forderung voraussichtlich zurück – ihre Kernanliegen werden erfüllt.

Bei der integrativen Schule, mit der möglichst alle Kinder und Jugendlichen gemeinsam unterrichtet werden, war Basel-Stadt am weitesten gegangen: 2011 strich der Stadtkanton die früheren Kleinklassen gleich ganz aus seinem Schulgesetz. Warnungen der Lehrerschaft wurden damals in den Wind geschlagen. Die Kritik flaute aber trotz der Einführung diverser Förderangebote 2016 nicht ab.

Förderklassen-Initiative: Hilferuf von Lehrerinnen und Lehrern

Eine Initiative für heilpädagogische Förderklassen hat nun den Anstoss für eine Aktualisierung des Schulgesetzes gegeben. Das Kantonsparlament stimmte mit grossem Mehr dem Kompromiss-Gegenvorschlag seiner Bildungskommission klar zu, solche Förderklassen wieder zuzulassen. Dies soll neben der Primarschule auch für die Sekundarstufe I gelten, also die gesamte Volksschule.

Schulsäcke
Legende: Förderklassen sollen in Basel allen Kindern und Jugendlichen bessere Chancen geben, ihr Potenzial zu entfalten. Keystone/Georgios Kefalas

Der Kompromiss sieht vor, dass Schulen Förderklassen schaffen können, jedoch nur für Kinder mit Lernschwäche und Lernstörungen, nicht aber für solche mit Verhaltensauffälligkeiten. Damit ist es den Schulen überlassen, ob sie Förderklassen einführen wollen.

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Comeback für Förderklassen in Basel
aus Regionaljournal Basel Baselland vom 18.09.2024.
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Die Abgrenzung dürfte allerdings gemäss dem baselstädtischen Lehrpersonen-Berufsverband Freiwillige Schulsynode (FSS) in der Praxis schwierig sein, weil Lernschwäche und Verhaltensauffälligkeit oft einhergingen.

Ganzes Paket an Massnahmen

So wird das Konzept der integrativen Schule nicht über Bord geworfen, sondern die Schulen erhalten mit Förderklassen mehr Möglichkeiten, alle Kinder besser zu unterrichten, so integrativ wie möglich. Die Gesetzesrevision bringt daneben auch andere Instrumente wie sogenannten Lerninseln, eine Art Auszeit bei Schwierigkeiten für einige Stunden bis Wochen.

Pro Klasse drei bis vier Kinder mit besonderen Bedürfnissen

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Gemäss Jean-Michel Héritier, dem Präsidenten des baselstädtischen Lehrpersonen-Berufsverbandes Freiwillige Schulsynode (FSS) haben landesweit drei bis vier Kinder oder Jugendliche pro Schulklasse erhöhte Anforderungen, kommen also mit dem Stoff nicht mit oder können sich im Unterricht nicht zusammenreissen. «In Basel sind es tendenziell eher mehr.»

Angesichts von rund 16'000 Kindern in der Volksschule des Kantons sei so mit 1000 bis 2000 Kindern zu rechnen, die in Basel-Stadt insgesamt zusätzliche Förderung bräuchten – einzelne spezielle Angebote gibt es bereits. Nicht nur diese Zahl ist noch unklar, sondern auch wie viele Förderklassen dann tatsächlich eingeführt werden und somit Räume und Lehrpersonen benötigen. Entsprechend schwierig sind Kostenschätzungen.

Konkret über die Einführung solcher Klassen entscheiden sollen die einzelnen Schulstandorte. In Basel-Stadt werden die Volksschulen ein Stück weit autonom geführt. Welche Kinder dort in Förderklassen kommen, sollen jeweils die unterrichtenden Teams entscheiden, unter Einbezug der Eltern. Dem FSS schwebt eine Maximalgrösse von zehn bis zwölf Kindern vor.

Neuer Erziehungsdirektor zeigt sich offen

Was tatsächlich drin liegt, hängt auch davon ab, wie viele Mittel aus dem Budget des Erziehungsdepartements zur Verfügung stehen werden. Der neue Vorsteher Mustafa Atici (SP) ist erst seit April im Amt, hat sich aber schon positiv zu Förderklassen geäussert. Sein Vorgänger, LDP-Regierungsrat Conradin Cramer, war kein Freund von Förderklassen.

Schulklasse
Legende: Nicht alle Hände gehen brav hoch im Schulzimmer – manche Kinder haben Mühe, mit dem Stoff oder damit, sich zusammen zu reissen. (Symbolbild) Keystone/Georgios Kefalas

Nach dem Grünen Licht des Grossen Rates für den Gegenvorschlag zeichnet sich ab, dass wohl keine Abstimmung zur Förderklassen-Initiative stattfinden wird. Das Initiativkomitee und die FSS haben signalisiert, dass sie ihr Begehren zurückziehen.

Viele Kantone streiten über integrative Schule

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Vielerorts klagen Lehrkräfte, dass ihre Aufgaben schwer zu erfüllen sind, wenn zu viele Kinder und Jugendliche nicht nachkommen oder stören, und fordern mehr Mittel und Unterstützung. Auch der Dachverband Lehrerinnen und Lehrer Schweiz (LCH) warnt vor Überforderung.

Nicht selten geht es – wie zum Beispiel in Schaffhausen – ums Geld, wie viel Aufwand in der Regelschule für Kinder mit Förderbedarf vertretbar ist.

Förderklassen-Initiative in Zürich

Eine ähnliche Förderklassen-Initiative wie in Basel-Stadt wurde im Juli in Zürich eingereicht, mit über 9000 Unterschriften. Hier stehen Bürgerliche hinter der Forderung, Schulkinder und Jugendliche vermehrt zu separieren – Lehrkräfte wehren sich mit dem Argument, die Chancengleichheit würde leiden.

FDP-Schweiz-Präsident Thierry Burkhardt hat das integrative Schulmodell in einem Interview als gescheitert bezeichnet. In Luzern ist es die SP, die Lösungen für Probleme im Unterricht fordert.

Für das integrative Schulmodell wurde 2007 ein Sonderpädagogik-Konkordat gegründet, dem heute 16 Kantone angehören.

«Unser Hauptanliegen ist erfüllt. Jetzt ist es wichtig, dass es rasch vorwärtsgeht», sagt Marianne Schwegler, Vizepräsidentin der FSS. Der Kompromiss könnte aber schon per Sommer 2025 zum Tragen kommen, während die Umsetzung einer Initiative zwei Jahre dauern könnte.

Regionaljournal Basel Baselland, 18.9.2024, 12:03 Uhr ; 

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