Frankreich zählt seit 14 Tagen 100 positiv Getestete auf 100'000 Einwohnerinnen und Einwohner. Somit müsste Frankreich auf die Quarantäneliste des Bundesamtes für Gesundheit (BAG).
Das hätte aber einschneidende Konsequenzen für die Grenzkantone. So einschneidend, dass sich der Bund schwertut. Es gebe keinen Automatismus, dass ein Land «automatisch» auf diese Quarantäneliste komme, erklärte Bundesrat Alain Berset am Mittwoch vor den Medien.
Nur eine Frage der Zeit
Und doch, so ganz eindeutig ist es nicht mit dem fehlenden Automatismus. Felix Uhlmann, Professor für Staatsrecht, erklärt: «Es bleibt eine gewisse Widersprüchlichkeit, weil bei man bei der Lektüre doch den Eindruck erhält, dass der Spielraum nicht gross ist, wenn überhaupt einer besteht.»
Das BAG gesteht auf Nachfrage ein, der fehlende Automatismus beziehe sich auf den Zeitpunkt, wann Frankreich auf die Liste komme, nicht grundsätzlich. Das heisst, es sollte nur eine Frage der Zeit sein.
Doch, was hiesse es, wenn Frankreich auf die Liste käme – was wären die Konsequenzen? Zum Beispiel für Zoll und Grenzwacht? Der für den Zoll zuständige Finanzminister Ueli Maurer sagte letzte Woche: «Wenn wesentliche Änderungen am jetzigen Zustand eintreten würden, müssten Zoll und Grenzwache wieder durch die Armee unterstützt werden.»
Mir scheint eine Anpassung der Verordnung bedenkenswert. Ob die Regel, welche stark auf die Fallzahlen abzielt, für alle Situationen adäquat ist, bezweifle ich.
Die Einreise wäre zwar grundsätzlich nicht verboten, trotzdem müssten Zoll, Grenzwacht und eben die Armee versuchen, die Einreisenden zu erfassen, damit kontrolliert werden kann, ob die Leute die Quarantänepflicht wirklich befolgen. So wie es derzeit die Flughafenpolizei am Flughafen Zürich macht, im Falle Frankreichs einfach entlang der fast 550-Kilometer-langen Landesgrenze.
Keine Grenzgänger-Problematik?
Alles nicht so schlimm, denn die Grenzgänger, die in der Schweiz arbeiten, müssten gar nicht in die Quarantäne. Das sagte Stefan Kuster vom BAG letzte Woche in einem Interview mit Radio SRF: «Die Grenzgängerproblematik ist in der Verordnung abgedeckt, es ist keine Problematik.»
Keine Problematik? Es gibt in der entsprechenden Verordnung explizite Ausnahmen, zum Beispiel für das Gesundheitswesen oder für das diplomatische Personal. Aber nicht für Gewerbe und Industrie. Das hiesse wohl, französische Grenzgänger, die in der Uhrenindustrie im Jura arbeiten, könnten faktisch nicht mehr in den Fabriken auf der Schweizer Seite arbeiten.
Das BAG verweist zwar auf eine generelle Ausnahme von bis zu 5 Tagen, wenn eine Tätigkeit notwendig und unaufschiebbar ist. Ob das der Wirtschaft hilft, sei dahingestellt.
Differenzieren zwischen verschiedenen Regionen
Die Schweiz könnte zwar noch differenzieren zwischen den Regionen in einem Land. Im Falle Frankreichs hiesse das: Reisende aus Paris müssten in die Quarantäne, aber Grenzgänger aus den direkt angrenzenden Regionen nicht, weil da die Fallzahlen noch tief sind.
Was aber, wenn die Fallzahlen dort in ein paar Wochen auch ansteigen? «Mir scheint eine Anpassung der Verordnung bedenkenswert. Ob die Regel, welche stark auf die Fallzahlen abzielt, für alle Situationen adäquat ist, bezweifle ich», so der Staatsrechtprofessor.
Das Beispiel Frankreich zeigt, dass die bestehende Quarantäneliste-Regelung an ihre Grenzen kommt. Sie eignet sich in dieser Form nicht, den privaten und geschäftlichen Grenzverkehr zwischen der Schweiz und den Nachbarländern bei steigenden Fallzahlen zu regeln.