Samuel F. hat eine Autismus -Spektrum-Störung. Rund um die Uhr ist er auf Pflege und Betreuung angewiesen. Trotzdem lebt er nicht im Heim, sondern in seinen eigenen vier Wänden. Laut Uno--Behindertenrechtskonvention, welche die Schweiz 2014 ratifiziert hat, steht dies allen Menschen zu.
Finanzierung je nach Kanton unterschiedlich
Doch die Finanzierung ausserhalb des Heims ist äusserst komplex und je nach Kanton unterschiedlich. Der Fall des 21-jährigen Samuel F. aus dem Kanton Glarus zeigt, dass schwer beeinträchtigte Menschen in diesem Kanton ohne die Gratis-Pflege und -Betreuung von Angehörigen unmöglich in den eigenen vier Wänden wohnen können.
Kanton rechnet mit Gratis-Arbeit von Angehörigen
«Rund 6,5 Stunden pro Tag ist mein Sohn betreut von Assistenten, bezahlt von der IV. Die restlichen Stunden decke ich ab», sagt Edith T., Samuels Mutter. Sie arbeitet deswegen nur Teilzeit. Doch die Arbeit mit ihrem Sohn wird ihr nicht entschädigt. Eigentlich wäre dafür die Ergänzungsleistungsbehörde des Kantons zuständig. Doch die Glarner Behörde stellt sich auf den Standpunkt: Wer bereits IV-Assistenzbeiträge erhalte, könne zusätzlich keine Ergänzungsleistungen beziehen.
«Verweigerungshaltung ist bundesgesetzwidrig»
Der Glarner Anwalt Hardy Landolt, der den Fall vertritt, kritisiert das Vorgehen der Ergänzungsleistungsbehörde. Der Professor für Sozialversicherungsrecht sagt: «Die Verweigerungshaltung ist bundesgesetzwidrig. Der Bund sieht das explizit vor und verpflichtet die Kantone, auch die Hilfe, Betreuung und Pflege zu Hause zu berücksichtigen. Man kann zusätzlich zur IV Kosten geltend machen.»
Kanton Glarus sieht keinen Handlungsbedarf
Doch die Ergänzungsleistungsbehörde des Kantons Glarus sieht dies anders. Gegenüber «Kassensturz» schreibt sie, der Hilfebedarf der betroffenen Person sei von der IV abgeklärt worden. «Insofern kann es neben dem Assistenzbeitrag keinen weiteren Bedarf an Leistungen mehr geben, welche ungedeckt bleiben und von den Ergänzungsleistungen rückzuvergüten wären.»
Fall vor Verwaltungsgericht hängig
Anwalt Hardy Landolt sagt, diese Haltung der Glarner Behörde sei für die Betroffenen fatal. Er vertrete mehrere Fälle schwer behinderter Menschen aus dem Kanton Glarus, die nur dank grosser, unentgeltlicher Unterstützung von Angehörigen in ihren eigenen vier Wänden wohnen könnten. Der Kanton lasse sowohl die Betroffenen als auch die Angehörigen im Stich. Klärungsbedarf erhofft er sich für alle mit dem Fall des 21-jährigen Samuel F.: Dieser ist vor Verwaltungsgericht hängig.