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«Keine 10-Millionen-Schweiz» Kaum Chancen für Gegenvorschlag zur SVP-Initiative

  • Die SVP will mit der Volksinitiative gegen die 10-Millionen-Schweiz die Zuwanderung deutlich beschränken. Falls nötig soll auch die Personenfreizügigkeit gekündigt werden.
  • Alle anderen Parteien sind dagegen. Weil die Zuwanderung Sorgen macht, brüten sie über möglichen Gegenvorschlägen, die weniger weit gehen.
  • Jetzt steigt die FDP aus. Das senkt die Chancen auf einen Gegenvorschlag – und die Abstimmung würde rascher stattfinden.

Für die SVP ist die Sache klar: Die Zuwanderung in die Schweiz sei zu hoch, sagt Nationalrat Franz Grüter. Deshalb brauche es die Initiative gegen die 10-Millionen-Schweiz: «Wir wollen hier eine Bremse.»

Initiative «Keine 10-Millionen-Schweiz» kurz erklärt

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Die Initiative fordert, dass die ständige Wohnbevölkerung der Schweiz vor dem Jahr 2050 zehn Millionen nicht überschreiten darf. Danach soll der Bundesrat aufgrund des Geburtenüberschusses eine Limite setzen.

Wohnen vor 2050 9.5 Millionen Menschen im Land, müssten Bundesrat und Parlament Massnahmen ergreifen. Etwa dürften vorläufig Aufgenommene dann keine Niederlassungsbewilligung mehr erhalten und auch nicht mehr eingebürgert werden. Auch der Familiennachzug soll in diesem Fall eingeschränkt werden.

Internationale Abkommen, die zu einem Wachstum der Bevölkerung führen, müsste die Schweiz mit Blick auf Ausnahme- oder Schutzklausel neu aushandeln. Reicht das alles nicht, um den Grenzwert einzuhalten, muss die Schweiz als Notbremse letztlich das Personenfreizügigkeitsabkommen mit der EU kündigen.

Gelänge es nach einer Annahme der Volksinitiative nicht, die Zuwanderung stark zu dämpfen, müsste die Personenfreizügigkeit gekündigt werden. Damit würden auch weitere bilaterale Verträge wegfallen.

Viele Parteien offen für Gegenvorschlag

Da die grosse Mehrheit im Parlament diese Verträge für die Schweiz wichtig findet, aber die Zuwanderung in der Bevölkerung zunehmend als Problem wahrgenommen wird, überlegen mehrere Fraktionen, einen Gegenvorschlag zu formulieren. Er soll die Zuwanderungslasten dämpfen, aber die Personenfreizügigkeit beibehalten.

Es gibt einerseits eine Verunsicherung in der Bevölkerung und andererseits eine viel zu extreme Initiative.
Autor: Jürg Grossen Nationalrat BE, Präsident GLP

Offen zeigten sich bislang alle Parteien, von links bis zur FDP. «Es gibt einerseits eine Verunsicherung in der Bevölkerung und andererseits eine viel zu extreme Initiative», sagt GLP-Präsident Jürg Grossen. Da müsse man sich Überlegungen machen, wie man das Anliegen mit einem Gegenvorschlag aufnehmen könne. Entschieden, ob die GLP das unterstütze, sei aber noch nichts.

Kaum mehrheitsfähige Vorschläge

Allerdings: Bislang ist keiner der diskutierten Vorschläge mehrheitsfähig. Und Gespräche mit Parlamentariern zeigen nun: Die Zuversicht schwindet. Die FDP-Fraktion hat am Dienstag entschieden, das Projekt Gegenvorschlag nicht weiterzuverfolgen.

Die Parteien müssten sich zusammenraufen. Danach sieht es aber nicht aus.
Autor: Simon Michel Nationalrat, FDP-SO

«Die Parteien müssten sich zusammenraufen», sagt FDP-Nationalrat Simon Michel, der in der Vergangenheit verschiedene Vorschläge für einen mögliche Gegenvorschlag formuliert hatte. «Danach sieht es aber nicht aus», so Michel. Er gehe deshalb davon aus, dass kein Gegenvorschlag zustande kommen werde.

Die FDP will am Donnerstagmittag die Kampagne gegen die SVP-Initiative lancieren – von einem Gegenvorschlag ist dabei nicht mehr die Rede.

Damit sind die Chancen eines Gegenvorschlags deutlich gesunken. Das hätte auch Folgen für die Europapolitik: Ohne Gegenvorschlag wäre definitiv klar, dass die SVP-Initiative zur Abstimmung kommt, bevor über die neuen Verträge mit der EU abgestimmt wird. Ende 2026 oder Anfang 2027 wäre es so weit.

Echo der Zeit, 19.03.2025, 18 Uhr

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