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Keine Lust auf Wahlkampf Im Jura gibt die FDP ihren Regierungssitz freiwillig auf

Die FDP verliert im Jura seit Jahren an politischem Einfluss. Nun gibt der Freisinn sogar seinen Regierungssitz kampflos her.

Konkurrenz belebt das Geschäft. Diese Doktrin ist für die FDP normalerweise ein eisernes Gesetz. Im Jura scheint dies aktuell gerade andersherum zu sein. Die jurassische FDP hat entschieden, sich aus der Regierung zurückzuziehen. Sie wird den Sitz ihres zurücktretenden Regierungsrats Jacques Gerber bei der Ersatzwahl vom 24. November nicht verteidigen.

Mann in Anzug mit Mikrofon, Menschen im Hintergrund.
Legende: Jacques Gerber bei den kantonalen Wahlen im Jura 2020 in Delémont. KEYSTONE/Jean-Christophe Bott

Nach dem Forfait der FDP werden die Mitte-Partei und die Grünen um Gerbers Sitz konkurrieren, wobei die Grünen als Aussenseiter antreten.

Die Haltung der FDP erstaunt. Im Kantonsparlament verliert die Partei seit Jahren Sitze, vor allem an die SVP, aber auch an die GLP.

Jacques Gerbers Rücktritt hat die Partei auf dem falschen Fuss erwischt.
Autor: Martin Braichet Präsident der jurassischen FDP

Martin Braichet, Präsident der jurassischen FDP, verteidigt den Entscheid auf den Regierungssitz zu verzichten. «Jacques Gerbers Rücktritt hat die Partei auf dem falschen Fuss erwischt», sagt er. Man habe sich auf die Gesamterneuerungswahlen im Jahr 2025 vorbereitet, nicht aber auf eine Ersatzwahl schon im November.

Braichte geht davon aus, dass die FDP trotz des jetzigen Verzichts bei den Gesamterneuerungswahlen im kommenden Jahr wieder angreifen und sich zurück in die Regierung kämpfen kann.

Millioneninvestitionen trotz schwieriger Finanzlage

Klar ist: Im Jura wird das Regieren in den nächsten Jahren nicht einfacher. Der Kanton schreibt strukturelle Defizite. Fürs nächste Jahr hat die Regierung ein Minus von 5.3 Millionen Franken budgetiert.

In ihrer Medienmitteilung klagt die Regierung, die bereits einkalkulierten Millionen Franken aus dem Topf der Nationalbanküberschüsse blieben aus, und man müsse trotz schwieriger Finanzlage Millioneninvestitionen tätigen. Darüber hinaus steigen die Krankenkassenprämien im Jura nun um fast neun Prozent.

Weisse historische Villa mit Bäumen und Flagge.
Legende: Der Sitz des Parlaments und der Regierung des Kantons Jura in Delémont. KEYSTONE/Georgios Kefalas

Fürchtet sich die FDP vor der Regierungsverantwortung? Keineswegs, sagt FDP-Präsident Braichet. Wenn man in der Regierung sässe, hätte man kein Problem damit, schwierige und unpopuläre Entscheide zu treffen.

Verzicht der FDP spielt Mitte-Partei in die Hände

Mitte-Präsident Mathieu Cerf sagt, seine Partei wolle ihren 2020 verlorenen zweiten Regierungssitz zurückerobern. Man habe eigentlich damit gerechnet, erst bei den Gesamterneuerungswahlen im kommenden Jahr anzugreifen, nun beschleunige man die Dinge eben.

Auch Cerf weiss, die Finanzsituation in seinem Kanton ist delikat. Er fordert die Regierung auf, das Budget eisern einzuhalten, ohne aber bei der Sozialpolitik grosse Einschnitte zu machen.

Stéphane Theurillat heisst der Kandidat der Mitte-Partei. Dass Theurillat bei den Gesamterneuerngswahlen im kommenden Jahr die Abwahl droht, glaubt Mitte-Präsident Cerf nicht. Vor einem Angriff der FDP hat er keine Angst. Ganz nach der Doktrin: Konkurrenz belebt das Geschäft.

Rendez-vous, 22.10.2024, 12:30 Uhr

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