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Verletzt der Ausschluss jüdischer Personen das Diskriminierungsverbot?
Aus SRF 4 News aktuell vom 13.02.2024. Bild: x
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Keine Schlitten an Juden «Eine Bevölkerungsgruppe wurde absichtlich ausgeschlossen»

Mit dem Aushang im Davoser Bergrestaurant «Pischa», Juden keine Schlitten mehr zu vermieten, hätten sich die Verantwortlichen wohl strafbar gemacht, sagt die Berner Juristin Manuela Hugentobler. In ähnlichen Fällen seien aufgrund der Antirassismus-Strafnorm bereits Strafen ausgesprochen worden.

Manuela Hugentobler

Manuela Hugentobler

Juristin

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Manuela Hugentobler ist Juristin am Institut für öffentliches Recht der Universität Bern.

SRF News: Darf man explizit einer bestimmten Personengruppe einen Service verweigern, wie etwa Jüdinnen und Juden das Vermieten von Schlitten?

Manuela Hugentobler: Das darf man meiner Meinung nach nicht. Ein Verbot, das sich explizit gegen Jüdinnen und Juden richtet, hat meiner Meinung nach eine strafrechtliche Relevanz – auch bei der Polizei wird das so eingeschätzt, schliesslich hat sie jetzt Ermittlungen in dem Fall aufgenommen.

Wo ist die rechtliche Grenze zur Diskriminierung?

Die rechtliche Grundlage finden wir im Strafgesetzbuch, im Artikel 261 bis («Diskriminierung und Aufruf zu Hass»). Weil im vorliegenden Fall einer bestimmten Bevölkerungsgruppe eine Leistung verweigert wurde, ist womöglich das Gesetz verletzt worden.

Ist Ähnliches in der Schweiz bereits früher vorgekommen?

Ja. Es gibt insbesondere mehrere Fälle, in denen einer bestimmten Bevölkerungsgruppe der Eintritt in Discos und Clubs verweigert wurde. In einem konkreten Fall wurde ein Plakat aufgehängt, wonach «aus Sicherheitsgründen» Personen aus Ex-Jugoslawien keinen Zutritt hätten. Ein Gericht bestätigte in erster Instanz, dass dies eine Leistungsverweigerung bedeute. Zudem wurde eine Diskriminierung der betreffenden Bevölkerungsgruppe gemäss Abschnitt 4 des Artikels 261bis StGB festgestellt.

Ist der Ausschluss einer bestimmten Klientel überhaupt in irgendeiner Form möglich?

Bei der Leistungsverweigerung wird juristisch darüber diskutiert, ob es sachliche Gründe dafür geben kann. Für manche Juristen reichen glaubwürdige, negative Erfahrungen mit einer bestimmten Bevölkerungsgruppe aus, damit beispielsweise Clubs diesen den Eintritt verweigern können.

Gerade die Pauschalisierung einer bestimmten Gruppe war der Grund für die Antirassismus-Strafnorm.

Doch gegen diese Sichtweise gibt es grossen Widerstand. Auch meiner Meinung nach kann man einen solchen Ausschluss nicht rechtfertigen – denn gerade die Pauschalisierung einer bestimmten Gruppe war der Grund, wieso man ein Rassismusverbot ins Strafgesetzbuch geschrieben hat. Es geht ja darum, historische Unrechtserfahrungen und Verletzungen der Menschenwürde in Zukunft zu verhindern.

Mit welcher Strafe müssen die Verantwortlichen des Bergrestaurants «Pischa» jetzt rechnen?

Das kommt auf die Einschätzung der Behörden an. Die Polizei klärt nun zunächst ab, was genau vorgefallen ist. Klar scheint, dass mit Vorsatz eine bestimmte Bevölkerungsgruppe ausgeschlossen wurde – auch wenn die Betreiber auf das Plakat geschrieben haben, sie hätten dies nicht aus rassistischen Motiven gemacht. Die Strafandrohung bei einer Verurteilung nach Artikel 261 beträgt bis zu drei Jahre Gefängnis oder eine Geldstrafe. Wie hoch eine mögliche Strafe im vorliegenden Fall sein könnte, kann ich jedoch nicht abschätzen.

Das Gespräch führte Tim Eggimann.

SRF 4 News aktuell, 13.2.2024, 08:10 Uhr ; 

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