«Als Lehrer habe ich viel Ferien. Als reiches Land sollten wir uns mehr Ferien leisten», sagt ein junger Mann in Bern. Er spricht vielen Eltern aus dem Herzen, die Familie und Beruf nur schwer unter einen Hut bekommen. Richtig heikel wird es aber oft genau in der Ferienzeit, denn auf etwa 13 Wochen Schulferien kommen nur ein paar wenige Wochen Ferien für die Eltern, je nach Arbeitgeber.
Eltern auf dem Land abgehängt
Vor allem Menschen auf dem Land fehle oft die Ferienbetreuung: «Es wäre gut, wenn alle Familien in der Schweiz Zugang zu Ferienbetreuungsangeboten hätten», sagt Sarah Gabi Schönenberger aus dem ländlichen Schwarzenburg im Kanton Bern. Sie hat sich im Grossen Rat dafür eingesetzt, dass der Kanton Bern sich an der Ferienbetreuung finanziell beteiligt – und künftig auch Fördergelder des Bundes abruft.
Die SP-Grossrätin findet: «Die Probleme hören nicht an der Stadtgrenze oder in der Agglo auf. Heute ist es oft Glückssache, ob es auf dem Land eine Ferienbetreuung gibt oder nicht.» Sie fordert ein flächendeckendes und bezahlbares Angebot für alle Familien, «sonst wird das ein teurer Spass, den man sich nicht leisten kann.»
Städteverband lehnt Rechtsanspruch ab
Die meisten grösseren Städte in der Schweiz haben das Problem erkannt. Sie bieten ein buntes Ferienprogramm an. Von Schatzsuche über Bogenschiess-Kurs bis hin zum Polizeibesuch warten auf die Ferienkinder neue Einblicke. Doch einfordern können Eltern die Betreuung während der Ferienzeit nicht. Einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz gibt es nur in Zürich, Winterthur und Bern.
Was eine Ausweitung auf andere Städte betrifft, so winkt Marius Beerli ab. Der Leiter Gesellschaftspolitik beim Schweizerischen Städteverband hält einen Rechtsanspruch für verfrüht.
Eine Betreuung während der dreizehn Ferienwochen würde kleinere Städte und Gemeinden «vor grosse finanzielle Herausforderungen» stellen, findet Beerli. «Die Städte und Gemeinden bräuchten hierfür starke Unterstützung von Bund und Kantonen.» Ein erster Schritt seien die Finanzhilfen des Bundes für die Kinderbetreuung.
«Finanziell nicht machbar»
Auch Jörg Kündig (FDP) vom Schweizerischen Gemeindeverband ist gegen einen landesweiten Rechtsanspruch auf Ferienbetreuung. Dies sei vor allem für kleine Gemeinden finanziell nicht machbar. Kündig warnt vor «überbordenden rechtlichen Auflagen». «Man sollte über Anreize und Erleichterungen dafür sorgen, dass das Bedürfnis befriedigt werden kann», sagt Kündig, und lobt das Engagement von Vereinen, privaten Initiativen und Grossfamilien. Vorschriften hingegen lehnt Kündig ab.
Ein erschwingliches Angebot für alle Eltern fordert Stefan Wolter, Direktor der Schweizerischen Koordinationsstelle für Bildungsforschung. «Die Fremdbetreuung kann bis zu 500 oder 1000 Franken pro Woche kosten. Das können sich viele Eltern nicht leisten», kritisiert Wolter. Dadurch bestehe die Gefahr, dass sich Ungleichheit fortsetze: Während Kinder ohne Betreuung in den Ferien so manches verlernten, erhielten andere durch ein anspruchsvolles Programm eine Horizonterweiterung.
Auch wenn der Fachmann eine gute Ferienbetreuung als sinnvoll erachtet: Die Schweiz dürfte bei den Angeboten vorerst ein Flickenteppich bleiben.