Seit Mitternacht sind die Grenzen zu den Nachbarländern der Schweiz wieder offen. Es gibt keine systematischen Kontrollen mehr, es sind keine Begründungen mehr nötig, weshalb man aus- oder einreisen will, und auch für das Einkaufen im Ausland wird man nicht mehr gebüsst.
Den Menschen wird damit ihre Reisefreiheit wieder zurückgegeben. Dieser Schritt auf dem Weg zur Normalisierung sei sehr wichtig gewesen, erklärt Karin Keller-Sutter, Vorsteherin des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements, im «Tagesgespräch» von Radio SRF.
Aber der Schritt habe koordiniert erfolgen müssen – aus zwei Gründen: Dem Transitverkehr und der Balkanroute, sagt die Bundesrätin. Hätte die Schweiz die Grenzen geöffnet, Österreich aber nicht, wäre der Verkehr und der Migrationsdruck auf die Schweiz markant angestiegen, ist sie überzeugt.
Man habe sich schliesslich für den 15. Juni als Öffnungstermin entschieden, da sich Deutschland und Frankreich auf dieses Referenzdatum geeinigt hätten. «Diese beiden Länder sind tonangebend im Schengenraum.»
Noch keine grosse Mobilitätswelle in Sicht
Auch der wirtschaftliche Druck sei gross gewesen. Länder wie Griechenland, Kroatien und Spanien seien stark vom Tourismus abhängig und die Sommerferien stünden vor der Tür. Auch für die Schweiz sei es erfreulich, dass deutsche Touristen wieder einreisen könnten. Keller-Sutter erwartet aber keine grossen Reisebewegungen, «denn viele Restriktionen bleiben».
So gelte in verschiedenen Ländern eine Maskenpflicht im öffentlichen Raum. Und Grossbritannien etwa fordere zwei Wochen Quarantäne bei der Einreise.
Solidarität mit Schweizer Tourismusbranche
Ob man jetzt, da es möglich sei, Strandferien plane oder in der Schweiz bleibe, müsse jeder selber entscheiden, so die Justizministerin. «Ich persönlich bleibe in der Schweiz. Ich weiss, welche Regeln hier gelten.»
Sie verbringe ihre Ferien auch aus Solidarität mit dem Schweizer Tourismus im Inland. Sie wolle damit einen Beitrag leisten zum Erwerb und zum Erhalt von Arbeitsplätzen in der hiesigen Hotellerie und Gastronomie.
Wir wussten nicht, was passieren könnte. Die Angst, dass es im Tessin zu einer Überlastung der Spitäler kommt, war da.
Ihr sei – auch weil sie selbst aus einer Grenzregion komme – wichtig, dass die Personenfreizügigkeit wiederhergestellt sei, sagt Keller-Sutter. Die Menschen hätten sich an das System gewöhnt, relativ formlos reisen zu können.
Deshalb habe sie sich für eine einfache Lösung eingesetzt, die nun auch durchsetzbar sei an den Grenzübergängen und den Flughäfen.
Schliessung dämmte Virusausbreitung ein
Das Ziel der Schliessung sei gewesen, die Gesundheitsinfrastruktur zu schützen. «Die Mobilität einschränken und gleichzeitig die Grenzen offen halten, das geht nicht.» Viren kennten keine Grenzen, hält die St. Galler FDP-Bundesrätin fest. «Wir wussten nicht, was passieren könnte. Die Angst, dass es im Tessin zu einer Überlastung der Spitäler kommt, war da.»
Die Kritik, der Bundesrat habe es verpasst, die Grenze zu Italien früher zu schliessen, kontert Keller-Sutter: «Man kann nicht nur in Chiasso zumachen.» Bayern und das Elsass seien zu der Zeit auch stark betroffen gewesen.
Ihr Bundesratskollege Alain Berset erarbeite derzeit weitere Lockerungen. «Ich will da nicht vorgreifen. Der Bundesrat wird aber in Bälde darüber entscheiden.» Diese Phase sei schwierig, betont Keller-Sutter. Die Gesundheit der Bevölkerung zu schützen, habe aber immer noch oberste Priorität.