Eigentlich sind Layras Beine zu kurz. Das kleine Mädchen kann sich noch so strecken, an die Pedale der Kirchenorgel kommt sie mit ihren 1.32 Metern nicht. Also greift sie zu einem Trick: Layra kramt seltsame Holzbretter hervor, von einer Luzerner Orgelbaufirma entwickelt, und befestigt sie an den Pedalen. «Ich drücke mit den Füssen auf diese Klötze und die drücken auf die Pedale», sagt sie.
Ein komplexes Instrument
Neben ihr sitzt Musiklehrer Andreas Wüest. Er kontrolliert die Orgel, bevor Layra mit dem Spielen beginnen darf. «Ich sehe, du hast da bereits etwas registriert», sagt er und deutet auf eine Wand mit schwarzen Holzstäben – direkt neben der Orgel. Wenn man an diesen sogenannten Registern zieht, verändern sich Klang und Lautstärke des Spiels.
Diese Register, die übereinanderliegende Klaviatur und die diversen Pedale machen die Orgel zu einem relativ komplexen Instrument. Sie ist schwieriger zu spielen als etwa das Klavier. Aus diesem Grund nennt man sie auch «Königin der Instrumente». Eigentlich wagen sich meist nur Leute an die Orgel, die bereits ein anderes Instrument beherrschen.
Gratis Unterricht als Zückerli
Mit dieser falschen Ehrfurcht wollte die Organistin Daniela Achermann aufräumen. Deshalb hat sie vor einem guten Jahr zusammen mit der Kirchgemeinde Sursee eine Orgelschule für Kinder gegründet. «In den Schweizer Kirchen stehen sehr viele Orgeln. Das sind genügend für alle, die üben wollen», sagt Achermann.
Das Projekt startete mit einem Schnuppertag, an dem Kinder aus Sursee und Umgebung das Instrument kennenlernen und ausprobieren durften. Acht von ihnen hat der Tag so gut gefallen, dass sie seither regelmässig den Orgelunterricht besuchen. Um das Orgeln der Kinder auch den Eltern schmackhaft zu machen, spendierte die Kirchgemeinde Sursee das erste Semester des Unterrichts. «Damit wollten wir die Hemmschwelle noch etwas weiter senken», begründet Achermann diesen Entscheid.
Das Image entstauben
Es hat funktioniert: Alle acht Kinder besuchen den Unterricht jetzt bereits im zweiten Semester und bezahlen nun auch dafür. Layra ist eines dieser Kinder. Sie spielt mittlerweile ganze Kompositionen an der Orgel. «Schnelle, laute Stücke gefallen mir am besten», sagt sie und lacht verlegen. Sie möge die Gottesdienste denn auch vor allem wegen der Musik und nicht unbedingt wegen des Betens.
Dann legt sie los: Ihre Finger flitzen über die Manuale, also die Klaviatur der Orgel, während ihre Füsse über die Pedale tanzen. Eine warme, hallende Melodie erklingt. «Sehr schön», lobt Andreas Wüest. Auch für ihn als Musiklehrer hat der Unterricht mit Kindern seinen Reiz. «Weil es fast keine kinderfreundlichen Orgel-Stücke gibt, können wir viele davon selbst komponieren.»
Er erhofft sich vom Projekt, dass die Kirchenorgel etwas von ihrem verstaubten Image verliert und sich auch jüngere Leute dafür begeistern können. «Die Leute sollen das Instrument als vielfältig wahrnehmen und nicht nur mit der Kirche in Verbindung bringen», meint er und fügt enthusiastisch an: «Die Orgel soll strahlen.»