Freitagmorgen, kurz vor Acht. Die Gemeinde Leuk wirkt noch etwas verschlafen. Da ruft die Glocke der Pfarrkirche St. Stephan zur Morgenmesse. Normalerweise lockt das im katholischen Wallis rund 50 Gläubige an, darunter viele Schulklassen.
Jetzt, wegen der Pandemie, folgen gerade mal sieben Menschen diesem Ruf. Pfarrer Daniel Noti betet vor fast leeren Rängen. Für ihn sei das mittlerweile Normalität: «Nicht die Zahl der Messbesucher ist wichtig, sondern, dass ich jenen, die gekommen sind, einen guten Gedanken mitgeben kann.»
Digital miteinander vernetzt
Wenig später, im Pfarrhaus, sitzt Daniel Noti am Computer. Er schreibt seine Gedanken zum Tag nieder und verschickt sie dann per SMS an die Mitglieder einer WhatsApp-Gruppe. Auf diesem Weg erreiche er hunderte Menschen, weit über seine Pfarrei hinaus, sagt der Pfarrer aus Leuk.
«Wenn die Leute nicht mehr in die Kirche kommen, dann ist es meine Aufgabe, dass ich zu ihnen gehe und wenn ich das physisch nicht kann, dann halt mit einem WhatsApp-Impuls», sagt Daniel Noti. Viele Gläubige hätten sich digital vernetzt, um trotz der Einschränkungen miteinander in Kontakt zu sein.
Kann das funktionieren? Religion digital? «Ja, es kann», sagt Dorothea Lüddeckens, Professorin für Religionswissenschaft mit sozialwissenschaftlicher Ausrichtung an der Universität Zürich. «Ein Priester kann über die Sozialen Medien den Kontakt halten und es ist ein Segen für seine Gemeinde, wenn er das tut. Weil sonst nämlich über kurz oder lang alles wegbricht», sagt Lüddeckens.
Rocksongs auf der Kirchenorgel
Auch die Walliser Kirchenorganistin Sarah Brunner setzt auf den digitalen Weg. Mit dem nationalen Shutdown im letzten März wurde sie quasi von einem Tag auf den anderen arbeitslos. Messen fielen aus. Die Dienste der selbstständigen Organistin waren nicht mehr gefragt. «Da habe ich mir neue Ziele für den Alltag setzen müssen und so kam ich auf die Idee, Rock- und Popsongs für die Kirchenorgel zu arrangieren.»
Seither spielt sie in der Visper Dreikönigskirche Woche für Woche ein neues Stück ein, filmt sich dabei mit dem Handy und stellt das Ganze online. Ihre Fangemeinde im Internet wächst rasant.
Es sind immer mehr Leute, die mich auf Facebook, Instagram und YouTube verfolgen und sie pushen mich, immer weiter zu machen.
Kirchenmusik per Mausklick, das scheint zu funktionieren. In der Seelsorge indes werden die sozialen Medien die persönliche Begegnung wohl nie ganz ersetzen können. Die grosse Herausforderung von Pfarrern wie etwa dem Leuker Daniel Noti dürfte deshalb sein, die Menschen nach der Pandemie wieder zurück in die Kirche zu bringen.
Und das werde nicht einfach, sagt Religionswissenschaftlerin Dorothea Lüddeckens: «Ich glaube nicht, dass alle nach der Pandemie sofort wieder auf der Kirchenmatte stehen und sagen, ich bin froh, dass ich jetzt wieder hier bin und die Netflix-Serie am Sonntagmorgen im Bett habe ich gestrichen.» Das klassische Gemeindeleben wiederaufzubauen werde Zeit brauchen.
Am Ende zwingt die Pandemie auch die Kirchen, sich ein Stück weit neu zu erfinden. Der digitale Schub, der jetzt durch die alten Gemäuer fährt, dürfte anhalten und er wird es der Kirche ermöglichen, ganz neue Gruppen von Menschen zu erreichen. Der persönliche Kontakt indes, der wird auch in postpandemischen Zeiten wieder wichtig sein.