- In den Landeskirchen rumort es. Viele Pfarrer und Gläubige möchten wieder Gottesdienste feiern können.
- Einige Kirchen lassen sich besondere Wege einfallen, um zu den Gläubigen zu kommen. Sie bringen Hostien nach Hause oder machen einen Umzug durchs Dorf.
- Die «Rundschau» hat einen katholischen und einen reformierten Pfarrer durch den Corona-Alltag begleitet.
Pfarrer Ugo Rossi zieht das Pfarrergewand über den Kopf, die Sakristanin hilft ihm dabei. Gleich beginnt in der Kirche in Lauerz ein katholischer Gottesdienst. Allerdings ohne Besucher, denn das ist seit Ausbruch der Coronapandemie verboten.
Die Messe steht in keinem Pfarrblatt und auch nicht im Aushang an der Kirchenmauer. Sie soll geheim bleiben. Damit keiner kommt, feiert Pfarrer Rossi die Messe an unterschiedlichen Tagen zu unterschiedlichen Zeiten.
Ich stehe vor dem Altar und sage, der Herr sei mit euch. Und keiner ist da. Das ist schade.
Doris Kamer hat es dennoch geschafft, am Gottesdienst dabei zu sein. Sie ist eine gläubige Frau, verbringt praktisch jeden Tag in der Kirche. «Gerade in dieser Zeit bin ich auf die Kirche besonders angewiesen», sagt sie. «Ich habe viel Zeit, ich darf meine Grosskinder nicht hüten.»
Dass die Gläubigen nicht zum Gottesdienst dürfen, gefällt Pfarrer Rossi ganz und gar nicht. «Es ist trostlos», sagt er. «Ich stehe vor dem Altar und sage, der Herr sei mit euch. Und keiner ist da. Das ist schade.» Gerade jetzt, da Auffahrt vor der Tür steht, hätte Rossi gerne seine Kirche gefüllt.
Hostie im Briefkasten
Viele schauen sich Gottesdienste im Fernsehen an, aber ihnen fehlt die heilige Kommunion. Für sie hat sich Rossi etwas einfallen lassen, sozusagen einen Hauslieferdienst von geweihten Hostien. Rossi legt die Hostie den Kirchenmitgliedern verpackt in einer Dose in den Milchkasten und holt die Dose später wieder ab.
Er weiss, dass es von der Bistumsleitung verboten ist, Hostien in einem Privathaushalt aufzubewahren. «Es geht nicht, dass man die Hostie bekommt und dann erst mal gemütlich zu Mittag isst», sagt er. «Sie muss schnell zu sich genommen werden.»
Mit Lautsprecher unterwegs
In der reformierten Kirche ist der Druck, die Gottesdienst fürs Publikum zu öffnen, ebenfalls gross. Pfarrer Michael Stollwerk hat eine Petition gestartet, die darauf drängt, die Gläubigen wieder in die Kirche zu lassen. «Liturgische Versammlungen sind keine Events und Seelsorge keine belanglosen Gespräche», heisst es im Petitionstext.
Weil Stollwerk nicht länger warten wollte, zog er mit einem Lautsprecher und einem Alphorn an Ostern durch Stäfa, einem Dorf am Zürichsee. Rund 800 bis 1000 Leute standen auf der Strasse und auf den Balkonen und haben der Musik und den pastoralen Worten zugehört.
Kein Gesang, dafür Mundkommunion
Die katholische Kirche hat bereits ein Schutzkonzept ausgearbeitet. Darin steht, wie sich die Gläubigen vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus schützen sollen. Mit Ordnern, die am Eingang stehen und die Gläubigen auf ihre Plätze weisen. Und ohne Gesang und ohne Handschlag zum Friedensgruss.
Eine der «gefährlichsten» Praktiken beim Gottesdienst ist aber nicht verboten: die Mundkommunion. Gerade ältere Gläubige verlangen, dass ihnen die Hostie nicht auf die Hand, sondern direkt auf die Zunge gelegt wird. «Auf Wunsch mache ich das», sagt Pfarrer Ugo Rossi. «Es ist heikel. Aber Geistliche, die die richtige Technik beherrschen, berühren die Zunge nicht.» Ausserdem achtet Rossi darauf, dass Leute, die eine Mundkommunion wollen, bei der Kommunion erst am Ende der Schlange stehen.