Die Schweizer Klimaseniorinnen feierten das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR). Dieses beschied, die Schweiz mache zu wenig gegen den Klimawandel. Die Rechtskommission des Ständerats sieht das diametral anders. Das Gericht in Strassburg habe mit seinem Klima-Urteil seine Kompetenzen überschritten; die Schweiz solle das Urteil ignorieren.
Nun haben sich die Klimaseniorinnen zu Wort gemeldet und erklären, dass sich die Mehrheit der ständerätlichen Rechtskommission irre. Ihre Erklärung sei voller Fehler und Unkenntnis.
«Gericht hat keine Kompetenzen überschritten»
Beispielsweise habe der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte seinen Ermessensspielraum gerade eben nicht missachtet. «Der EGMR hat der Schweiz nicht vorgeschrieben, welche Massnahmen ein Staat mit Blick auf diese Klimaziele zu ergreifen hat», erklärt Cordelia Bär, Anwältin der Klimaseniorinnen. Diese seien politisch auszuhandeln. Das Gericht habe seine Kompetenzen nicht überschritten.
Nicht unerwartet argumentieren die Klimaseniorinnen und deren Rechtsvertretungen um 180 Grad anders als Ständerat Daniel Jositsch aus der Rechtskommission: «Es ist Aufgabe des Bundesrats, welcher die Schweiz im Ministerrat vertritt, das anzumahnen und mit den anderen Staaten zu schauen, wie man diese Situation lösen kann.»
Aufgabe des Bundesrates sei genau dies nicht, so Bär. Dieser habe den Rechtsstaat zu schützen und die Haltung der Rechtskommission des Ständerats zu ignorieren. Von der kleinen Kammer erwartet die Anwältin, dass diese seiner Verantwortung nachkomme und Hand biete bei innerstaatlichen Lösungen. Zu mehr Klimaschutz also.
Es drohen weitere Klagen
Was die Schweiz aktuell tue, reiche nicht aus, um die menschenrechtlichen Anforderungen des Urteils zu erfüllen. Genau umgekehrt sieht das die Rechtskommission des Ständerats, auch deshalb solle der Bundesrat dem Urteil keine Folge leisten. Auch Umweltminister Albert Rösti war kurz nach dem Urteil aus Strassburg der Meinung, Korrekturen beim Klimaschutz brauche es kaum.
Aber handle die Schweiz auf dieses verbindliche Urteil nicht genügend, so würden sich die Klimaseniorinnen nicht scheuen, weitere Massnahmen zu ergreifen. «Wir würden das Ministerkomitee des Europarats jederzeit über jegliche Entwicklungen, auch über Unterlassungen in der Schweiz, informieren.»
Bei erfolgten oder sich abzeichnenden Zielverfehlungen werde man erneut die Schweizer Gerichte anrufen, so Bär. Es drohen also weitere Klagen.