Der Unterschied zwischen Spitälern mit oder ohne einem Globalbudget ist allein die Denkweise. Diese Meinung vertritt Oliver Peters, stellvertretender Direktor des Universitätsspitals Lausanne (CHUV). Für ihn ist klar: «In vielen Spitälern steht der Profit zu sehr im Zentrum. Ein Globalbudget bewirkt, dass weniger unnötige Behandlungen durchgeführt werden.»
Mit einem solchen Kostendach müssten sich Spitäler stärker auf den Kernauftrag besinnen. «Man kann die Kosten nicht beliebig wachsen lassen. Globalbudgets sind ein gutes Mittel, um eine gewisse Vernunft im System beizubehalten», sagt Peters.
So funktioniert das Globalbudget
Jeweils im Frühling analysiert das Spital seine Vorjahreszahlen. Aufgrund des Bevölkerungswachstums und weiterer Indikatoren legt der Kanton dann das Budget für das nächste Jahr fest. Wird dieses vorgegebene Budget überschritten, bekommt das Spital pro Behandlung weniger Geld.
Normalerweise werden Spitalaufenthalte zu 45 Prozent von der Krankenkasse und zu 55 Prozent vom jeweiligen Kanton abgegolten. Wenn beim CHUV das Budget gesprengt wird, bezahlt der Kanton seinen Anteil jedoch nicht mehr.
«Wenn wir nur noch 45 Prozent der Kosten bezahlt bekommen, dann ist es für uns nicht mehr interessant, rentable Leistungen in einem Umfang anzubieten, der über das Notwendige hinausgeht», sagt der stellvertretende Spitaldirektor Peters. Man verzichte deshalb auf jene Eingriffe, die medizinisch nicht wirklich notwendig seien.
Das Globalbudget, so wie wir es kennen, hat keine einzige Patientenbehandlung verunmöglicht.
Rationalisierung der Medizin?
Kritiker des Globalbudgets warnen, dass es sich dabei um ein «leichtfertiges Experiment zu Lasten der Patienten» handle. Es drohten Wartezeiten oder gar eine Zwei-Klassen-Medizin. Oliver Peters widerspricht. «Das Globalbudget, so wie wir es kennen, hat keine einzige Patientenbehandlung verunmöglicht.» Schliesslich habe das Unispital einen Leistungsauftrag und könne Patienten nicht abweisen.
Hat ein Globalbudget also überhaupt eine Auswirkung auf die Gesundheitskosten? Nein, sagen die Gegner. Zum Beispiel der Gesundheitsökonom Stefan Felder: «Jene Kantone, die ein Globalbudget haben, also Genf, Tessin, Waadt, haben schweizweit die höchsten Gesundheitsausgaben», betont Felder.
Tatsächlich hat die Waadt schweizweit die dritthöchsten Gesundheitsausgaben. Und der Prämienschub war in diesem Jahr so heftig wie an kaum einem anderen Ort in der Schweiz mit einem Plus von sechs Prozent, sagt Felder.
Zudem «hübsche» der Kanton Waadt das Bild beim Unispital Lausanne mit Subventionen auf. Es geht um sogenannte gemeinwirtschaftliche Leistungen. «Schweizweit hat die Waadt den zweithöchsten Wert», erklärt Felder. «Das sind Hunderte Millionen, die auf diesem Weg in den stationären Bereich fliessen.»
Das Globalbudget – eine Mogelpackung?
Die Zahlungen seien so hoch, weil in Lausanne die Löhne der Professoren direkt vom Spital bezahlt würden. Zudem seien die Subventionen politisch gewollt, erwidert der Spitalmanager Oliver Peters in Lausanne. «Es macht einen Unterschied, ob die Prämien oder die Steuern hoch sind. Die Steuern sind einkommensabhängig und betreffen vermögende Menschen stärker. Der Kanton Waadt will deshalb lieber zusätzliche Subventionen statt hohe Krankenkassenkosten.»
Zur Frage, inwiefern ein Globalbudget die Gesundheitskosten überhaupt dämpfen kann, sagt Peters, dass es durchaus eine Wirkung habe, zumindest wenn man isoliert den stationären Bereich betrachte.
Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) gibt ihm Recht. In jenen Kantonen, die ein Globalbudget haben, seien die Kosten des stationären Bereichs weniger stark gestiegen als in den anderen Kantonen.
Zudem verweist Peters darauf, dass das CHUV Behandlungen, deren Nutzen umstritten ist, weniger oft durchführe, etwa Kniearthroskopien: «Das CHUV hat im Vergleich zu allen Universitätsspitälern 24 Prozent weniger dieser Eingriffe durchgeführt.»
Weder Zaubermittel noch Schreckgespenst
Globalbudget – Ja oder Nein? Die Antwort hängt auch vom ideologischen oder staatspolitischen Verständnis ab. Will man starke staatliche Eingriffe oder freien Wettbewerb? Der Bundesrat prüft bis Ende Jahr den Vorschlag einer Expertengruppe, ein Kostendach breitflächiger einzusetzen. Bis dann soll auch eine Studie vorliegen, die genauer aufzeigt, welchen Einfluss ein Globalbudget effektiv auf die Gesundheitskosten hat.
Fraglich ist jedoch, ob eine solch radikale Massnahme schweizweit überhaupt mehrheitsfähig ist. Wenigstens kann schon nur die Diskussion darüber zusätzlichen politischen Druck auf die Akteure des Gesundheitswesens ausüben. Angesichts der stetig wachsenden Kosten ist dies sicher begrüssenswert.
Im Hinblick auf die Wahlen im Jahr 2019 haben auch die Parteien das Thema Gesundheitskosten für sich entdeckt. Beispielweise hat die CVP eine Initiative lanciert, die in Richtung Kostenbremse zielt. Möglich also, dass schon bald das Schweizer Stimmvolk über ein Kostendach im Gesundheitswesen abstimmen kann.