Aale legen auf dem Weg zu ihren Laichplätzen tausende Kilometer zurück. Dabei ist jedes Flusskraftwerk, jedes Stauwehr ein Hindernis. Ein Hindernis, das tödlich sein kann. Geraten die Tiere in die Turbinen, können sie schwer verletzt werden. Deshalb müssen alle Wasserkraftwerke saniert werden, damit Fische auf- und absteigen können. So die Vorgabe im Gewässerschutzgesetz, das seit 2011 in Kraft ist.
«Umsetzung bis 2030 nicht realistisch»
Ein Blick auf die aktuelle Sanierungsstatistik zeigt: 2018 waren erst zwei Prozent der Werke saniert, bei 17 Prozent wurden die Arbeiten gestartet. Insgesamt sind es über 1000 Auf- und Abstiege, die saniert werden müssen.
«Es ist nicht realistisch, dass wir bis 2030 den Fischschutz realisieren können», kritisiert Martina Munz, SP-Nationalrätin und Vizepräsidentin der Umweltorganisation Aqua viva. Es sei jetzt zentral, dass vorwärtsgemacht werde, ansonsten seien zahlreiche Fische in Gefahr. Schon heute sei der Aal vom Aussterben bedroht.
Es dürfte sportlich werden.
In einer ersten Phase hätten die Kantone herausfinden müssen, wo welche Massnahmen nötig seien, sagt Stephan Müller vom Bundesamt für Umwelt Bafu. Er und sein Team sind zuständig für die Bewilligung der Sanierungsprojekte.
«Am Anfang gab es deshalb eine Verzögerungsphase, jetzt folgt die Routinephase. Noch können wir nicht abschätzen, wie es bis 2030 weitergeht», erklärt er. Es dürfte sportlich werden, meint Müller.
Projekte bleiben ein Jahr liegen
«Projekte der Kraftwerkbetreiber bleiben beim Bafu rund ein Jahr liegen, das ist viel zu lange und darf nicht sein», kritisiert Munz das Bundesamt. Es wären mehr Stellen nötig, sagt sie.
«Das stimmt, wir haben teilweise bis zu einem Jahr Verzögerung», gibt Müller zu. Sie hätten in den letzten Monaten mehr Mitarbeitende bekommen und hofften, in den nächsten Monaten den Rückstau abbauen zu können.
Es gibt noch Forschungsbedarf
Offenbar wurde bei der Erarbeitung des Gesetzes der Sanierungsbedarf unterschätzt. Ebenfalls problematisch: Es gibt noch Forschungsbedarf beim Fischabstieg. Dieser wurde lange vernachlässigt. Wie man mit Fischtreppen den Fischaufstieg ermöglichen kann, ist viel besser bekannt.
An der ETH Zürich forscht ein interdisziplinäres Team des Wasserforschungsinstituts Eawag und der Versuchsanstalt für Wasserbau, Hydrologie und Glaziologie VAW an der Problematik des Fischabstiegs. «Es geht darum, die Fische weg von den Turbinen zu lenken», erklärt Robert Boes, Direktor der Versuchsanstalt.
Denn sie folgten der Hauptströmung und gerieten so in die Turbinen. Bei kleineren und mittleren Kraftwerken werden die Fische mit Rechen, die quer im Wasser stehen, daran gehindert, in die Turbinen zu schwimmen. Sie werden in eine Umleitung gelenkt und können so flussabwärts wandern.
Komplexe politische Prozesse
«Wir kamen auf die Idee, dass wir eine weitere Schutzbarriere bauen könnten, indem wir Strom auf den Rechen legen, eine niedrige Spannung natürlich», erklärt Professor Boes. Die Tiere spüren diese Spannung und weichen aus. So können sie an den Turbinen vorbeigeleitet werden.
Noch ungelöste Forschungsfragen und komplexe politische Prozesse dürften die Sanierung aller Wasserkraftwerke bis 2030 schwierig werden lassen.