Frieden, Stabilität und Sicherheit in Europa: Dazu, so sind sich Parlamentarierinnen und Parlamentarier einig, soll die Schweiz einen aktiven Beitrag leisten. Dies wurde in der Erklärung für einen sofortigen Waffenstillstand in der Ukraine auch im Ständerat deutlich. Abstrakte Szenarien von konventioneller und Cyberkriegsführung sind mit dem Krieg in der Ukraine in den letzten Tagen bittere Realität geworden.
Uneinig ist man sich in Bundesbern allerdings, ob und wie sich die Schweiz sicherheitspolitisch neu ausrichten soll. Bereits am Montag liess die bürgerliche Seite verlauten, dass die Schweiz angesichts des Krieges zwischen Russland und der Ukraine rasch reagieren müsse.
Ähnlich tönte es heute in der kleinen Kammer. In der Debatte zur Ukraine-Erklärung meinte FDP-Ständerat Josef Dittli: «Wir benötigen zusätzliche finanzielle und personelle Ressourcen, um unser Land und die Armee verteidigungsfähig zu machen.» Anders sieht dies die Ratslinke. Als neutrales Land gebe es keinen Grund, aufzurüsten.
Gegen Kriegsmaterialexporte
Grünen-Ständerätin Céline Vara sagte dazu: «Wir sollten nicht mehr in die Aufrüstung investieren. Tragen wir zur globalen Abrüstung viel mehr als zur Wiederaufrüstung bei! Hören wir auf, Kriegsmaterial zu exportieren, dessen Verwendung wir nie kontrollieren werden können!»
Die Mitte sprach gestern zunächst davon, dass man die Krise zuerst bewältigen und dann analysieren müsse, um schliesslich sicherheitspolitische Entscheide treffen zu können. Etwas konkreter wurde heute Mitte-Ständerat Benedikt Würth: «Wir müssen aufgrund der veränderten Ausgangslage die Neutralitätspolitik – das haben wir immer gemacht – wieder auf die geänderten Rahmenbedingungen ausrichten.»
Die Neutralitätspolitik war denn auch ein immer wiederkehrendes Thema in der Debatte des Ständerates. Grundsätzlich war man sich einig, dass die Neutralitätspolitik der Schweiz grundsätzlich auch mit dem aktuellen Anschluss an die Sanktionen der EU nicht tangiert werde.
Plötzlich sind Landesgrenzen auch in Europa nicht mehr sakrosankt.
Eine Herausforderung sei die kriegerische Auseinandersetzung für die Schweiz trotzdem, so Mitte-Ständerat Pirmin Bischof: «Wir haben es in den letzten Tagen schmerzlich erfahren, dass Instabilität auch vor dem europäischen Kontinent nicht Halt macht. Plötzlich sind Landesgrenzen auch in Europa nicht mehr sakrosankt.» Das sei für einen Kleinstaat wie die Schweiz, der ganz speziell auf das Wahren von Völkerrecht und Landesgrenzen angewiesen ist, eine Herausforderung.
Für SP «nicht richtiger Zeitpunkt»
Speziell die SP sah sich in den letzten Tagen vor die Frage gestellt, ob die Forderung in ihrem Parteiprogramm, die Armee abzuschaffen und diese bis dahin massiv ab- und umzubauen, überholt ist. Die Sicherheitsarchitektur in Europa werde nach diesem Krieg verändert sein, sagt Priska Seiler-Graf. Und weiter: «Das wird Konsequenzen haben für die Schweiz. Insbesondere in Bezug darauf, was die Rolle der Schweiz ist. Aber jetzt ist noch nicht der richtige Zeitpunkt.»
SP-Co-Präsidentin Mattea Meyer jedoch bleibt nach wie vor kritisch gegenüber einem Umdenken. Sie spricht von einem Aufrüstungswettkampf, den es unbedingt zu verhindern gelte. Vielmehr meint sie: «Was wir jetzt diskutieren müssen, ist, welche Rolle die Schweiz spielen kann in der Abrüstung und der Deeskalation.»
Einig sind sich alle, dass die Situation seit letzter Woche ein fundamental andere ist. Wie weit dies zu einem Umdenken in der schweizerischen Sicherheitspolitik führen wird, bleibt heute noch offen.