Die Sanktionen gegen Russland wirken nur so gut, wie sie umgesetzt werden. Und da ist die Schweiz im internationalen Vergleich stark gefragt, weil hier viel russisches Geld deponiert ist. Das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) hat am Donnerstag erstmals Zahlen genannt, wie viel russisches Geld bislang gesperrt wurde. Bis Mittwoch seien es 5.75 Milliarden gewesen.
Botschafter Erwin Bollinger ist im Seco verantwortlich für die Umsetzung der Sanktionen und sagt zum gesperrten Vermögen: «Im Vergleich zu bisherigen Sanktionsregimen, welche die Schweiz umgesetzt hat, ist es sehr viel Geld. Wir hatten noch nie Vermögenswerte in diesem Umfang.»
Keine Zusammenarbeit mit Banken
Wobei auch das nur eine Momentaufnahme sei, weil wohl noch weitere Personen sanktioniert werden dürften. In der Schweiz funktioniert das Sperren der Gelder folgendermassen: Banken, Anwälte, kantonale Grundbuchämter oder Steuerämter müssen dem Seco melden, wenn sie verdächtige Gelder verwalten oder von solchen wissen. Dabei müssen sie dem Seco ein Foto quasi des heutigen Vermögensstandes übermitteln.
Das Seco seinerseits wartet bis diese Meldungen reinkommen; es arbeitet dabei aber nicht aktiv mit den Banken oder auch Steuerämtern zusammen, um solche Gelder zu suchen, wie Bollinger ausführt: «Gegenwärtig arbeiten wir nicht aktiv zusammen, weil wir auch nicht aktiv auf die Suche gehen. Wir erhalten die Meldungen, das ist eine Bringschuld der betroffenen Stelle.»
Andere Länder machen es vor
Andere Länder gehen anders vor – so haben die USA und verschiedene westliche Länder eine Taskforce gegründet. In den USA hat die zuständige Behörde die Banken auch aufgefordert, vergangene Transaktionen durchzugehen. «Die Banken können nicht einfach ein Foto des jetzigen Zustandes machen. Gerade bei indirekten Geschäften müssen sie zwölf Monate zurückgehen und ein Vergleichsbild entwickeln», so Geldwäschereiexperte Mark Pieth. Die US-Behörde will über solch vergangene, indirekte Transaktionen über Strohmänner auch versteckte Gelder finden, die irgendwo parkiert sind.
Warum schliesst sich das Seco nicht der amerikanischen Praxis an und verlangt von den Banken, dass sie auch vergangene Transaktionen durchforsten müssen? «Gegenwärtig haben wir diese Grundlage nicht, dass wir von den Banken verlangen können, rückwirkend zu schauen. Der Auftrag ist, dass die Banken die Vermögen sperren und uns dies melden», so Bollinger. Es fehle die rechtliche Grundlage, der Bund könne die Banken gar nicht auffordern, zurück zu recherchieren.
Politik hat Frage nicht beantwortet
Es geht hier um den Grundsatz, dass man nicht rückwirkend Regeln ändern dürfe. Doch namhafte Rechtsexperten wie Felix Uhlmann von der Universität Zürich widersprechen, dieser Grundsatz sei nicht tangiert: «Dieser Blick auf frühere Unterlagen dient der effektiven Durchsetzung des neuen und aktuellen Rechts.» Wenn Banken also frühere Transaktionen durchforsten, diene das der Umsetzung der Sanktionen, so Uhlmann. «Dann müsste dies zulässig sein.»
So bleiben Zweifel an der Begründung des Seco, warum es die Banken nicht auffordert, aktiver nach vergangenen Transaktionen zu suchen, um versteckte russische Gelder zu finden. Selbst Bollinger spricht von einer politischen Frage, warum die Schweiz nicht aktiver nach russischen Geldern sucht: «Diese politische Frage müsste auch politisch beantwortet werden.»
Es geht also nicht um Juristerei, sondern um Politik und diese, sprich der Bundesrat, hat diese Frage bis anhin nicht beantwortet.