Ein Stopp der russischen Gaslieferungen im Zuge der Ukrainekrise würde auch die Schweiz treffen. Im Interview gib Bundesrat Guy Parmelin Auskunft, was das bedeuten würde.
SRF: Was würde es für die Schweiz bedeuten, wenn Russland den Gashahn für ganz Europa zudrehen würde?
Guy Parmelin: Ein Totalabbruch wäre sehr schwierig – nicht nur für die Schweiz, sondern für ganz Europa. Das ist klar. Wir in der Schweiz haben keinen Gasspeicher.
Müssten wir einen haben?
Es gab eine Studie dazu im Oberwallis. In der Schweiz gibt es noch kein Gasversorgungsgesetz. Heute sind es private Organisationen, die Gas auf dem Markt kaufen und an Unternehmen und Kunden in der Schweiz verteilen.
Die Situation ist klar: Die Schweiz ist wie andere Länder total abhängig von Öl- und Gas-Importen.
Kann der Staat diese Aufgabe privaten Firmen überlassen? Der deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck sagt: Energiepolitik ist heute eine Frage der nationalen Sicherheit. Müsste der Bund nicht beispielsweise eine Anschubfinanzierung ins Auge fassen?
Die Situation ist klar: Die Schweiz ist wie andere Länder total abhängig von Öl- und Gas-Importen. Das ist ein Fakt. Natürlich wollen wir diese Abhängigkeit schon lange minimieren. Etwa mit alternativen Energiequellen, also Solarenergie und so weiter. Aber das braucht Zeit.
Wir könnten die Bevölkerung darum bitten, im Winter ein oder zwei Grad weniger zu heizen. Bereits ein Grad weniger würde den Gasverbrauch um fünf bis sieben Prozent senken. Am Ende bleibt die Möglichkeit einer Kontingentierung. Aber das muss man mit der Wirtschaft organisieren.
Das heisst, Sie antizipieren das?
Wir sind aktuell in engem Kontakt mit der Wirtschaft. Wir kooperieren sehr eng mit dem Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) von Kollegin Simonetta Sommaruga. Wir haben eine Arbeitsgruppe gegründet, um zu sehen, wo es Verbesserungsmöglichkeiten gibt. Aber natürlich: Wenn kein Gas mehr kommt, haben wir eine kritische Situation, wie in Deutschland.
Wir sind nicht allein, das ist ein europäisches Problem.
300’000 Haushalte heizen in der Schweiz mit Gas. Was sagen Sie diesen?
Wir arbeiten sehr intensiv, um die Situation zu organisieren. Wir sind nicht allein, das ist ein europäisches Problem. Der Handel mit den Nachbarländern ist nicht einseitig. Man muss das koordinieren.
Der deutsche Wirtschaftsminister fliegt in der Weltgeschichte herum und versucht, Öl und Gas zu sichern. Müssen Sie hoffen, dass Herr Habeck erfolgreich ist, damit wir das Gas über Deutschland beziehen können?
Wir müssen uns selber damit beschäftigen. Bundesratskollege Ueli Maurer war dazu auch in Katar. Ausserdem muss man klären, wie sich die Abhängigkeit so rasch wie möglich vermindern lässt.
Man spricht jetzt auch über Gas-Terminals. Braucht Basel zum Beispiel ein solches Terminal?
Auch das muss koordiniert sein, das ist ein europäisches Problem. Aber wir dürfen nicht vergessen: Am Ende versuchen wir auch wegen des Klimawandels, die Abhängigkeit von fossiler Energie zu minimieren. Parallel dazu arbeiten der Bundesrat und das Parlament an neuen Unterstützungsmassnahmen, um zum Beispiel Wärmepumpen statt Öl-Heizungen zu fördern. Aber das braucht Zeit.
Das Gespräch führte Reto Lipp.