Angefangen hat der Höhenflug von Alain Berset mit einem Lapsus: Bei einer der ersten Medienkonferenzen zum Coronavirus Anfang März erklärte der Gesundheitsminister, wie wichtig es sei, Abstand zueinander zu halten und keine Hände zu schütteln.
Nach seinem Auftritt staunten dann alle, als sie sahen, wie Bundesrat Berset der Präsidentin der Gesundheitsdirektorenkonferenz herzhaft die Hand schüttelte! Ein Faux-pas, gab Berset bei der nächsten Gelegenheit zu.
Doch seither passieren dem 48-jährigen Freiburger keine Fehler mehr: Er tritt sicher und kompetent auf, kommuniziert charmant zweisprachig. Er führt das Land durch die Coronakrise und überbringt auch ernste Botschaften mit der richtigen Mischung aus Nachdruck und Feingefühl.
Zum SP-Bundesrat passt auch, dass er mal inkognito durch die Berner Altstadt spaziert, um sich ein Bild davon zu machen, ob die Bevölkerung die Massnahmen einhält. Es ist klar, die Krise fordert ihn enorm. Über Wochen bleibt er in Bern und hat seine Frau und drei Kinder bis Ostern nicht mehr gesehen.
Seine Führungsqualitäten werden auch von den anderen Parteien gewürdigt. So sagt CVP-Präsident Gerhard Pfister: «Alain Berset ist aus meiner Sicht der richtige Mann zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Er erfüllt seine Aufgaben sehr gut.»
Aber natürlich gibt es auch Kritik: Die SVP bemängelt etwa, dass die Schweiz zu wenig gut auf die Pandemie vorbereitet war mit zu wenig Schutzmasken und Desinfektionsmitteln. «Das hätte in der Schweiz nicht passieren dürfen», sagt Parteipräsident Albert Rösti. Auch sei die Grenze zu Italien zu spät geschlossen worden, was die Ausbreitung des Virus gefördert habe.
Politischer Gewinner der Krise
Aber auch die SVP und die FDP loben seine Auftritte als Krisenmanager. Damit tritt momentan ein Bundesrat in den Vordergrund, von dem es lange hiess, er habe in seinen vielen Amtsjahren noch keine grossen Pflöcke eingeschlagen. Tiefpunkt seiner bisherigen Laufbahn als Gesundheitsminister war das Volks-Nein zu seinem Reformpaket «Altersvorsorge 2020» im Herbst 2017.
Da biete ihm die aktuelle Coronakrise die Gelegenheit, sich zu profilieren, sagt FDP-Präsidentin Petra Gössi: «Es verschafft ihm auch Luft bei all den andern Dossiers, die blockiert wirken. Ich glaube, dass Berset gestärkt daraus hervorgehen wird.»
Statt mit den Gesundheitskosten und den Pensionskassen schlägt er sich momentan mit dem Coronavirus herum. Er ist damit genau dort, wo er am liebsten ist – wie er schon vor zehn Jahren in einem Interview sagte, nämlich: «Da zu sein, wo man Einfluss nehmen kann, um seine Ziele zu erreichen.»
Auch wenn irgendwann eine Zeit nach dem Coronavirus kommt – vorderhand gilt sein aktuelles Mantra: «Hände waschen, Hände waschen, Hände waschen. Das darf man nie vergessen!»