Es gibt sie überall in der Schweiz: Schulen, in denen Kinder mit Muttersprache Deutsch in der Minderheit sind. Damit alle Kinder Deutsch lernen, wird in den Schulen viel gemacht. Doch oft lernen die Kinder am besten auf dem Pausenplatz, Deutsch zu sprechen.
Damit sich Kinder mit Deutsch als Muttersprache und jene mit Deutsch als Zweitsprache auf dem Pausenplatz auch tatsächlich begegnen, startete Martha Jakob ein Integrationsprojekt. Sie ist Präsidentin der Kreisschulpflege Seen-Mattenbach in Winterthur, in dem sie den Prozess der besseren Durchmischung durchführte – als schulische Brückenbauerin.
Der Plan für eine intensivere Durchmischung klang einfach: Die Kinder sollen je nach Sprache einer anderen Schule zugeteilt werden. Das stiess aber auf Kritik.
Experiment mit Widerhall
Für viele Kinder bedeutete das nämlich einen längeren Schulweg. Die beiden betroffenen Schulhäuser liegen knapp anderthalb Kilometer auseinander.
Der längere Weg war jedoch eine der grössten Sorgen, die die Eltern vor zwei Jahren bei der Präsentation des Projektes äusserten. Damals war die Aufregung unter einigen betroffenen Eltern gross.
Besonders jene, deren Kinder Deutsch als Muttersprache sprechen, sprachen von einem heiklen «Integrationsexperiment». Es sei nicht erwiesen, ob die sprachliche Durchmischung in der Schule einen positiven Effekt auf den Bildungserfolg habe, wurde gesagt.
Projekt trotz Kritik umgesetzt
Einige Eltern konsultierten deshalb gar einen Anwalt, um gegen den Entscheid juristisch vorzugehen. Der Erfolg blieb aus, denn die Präsidentin der Kreisschulpflege hielt an ihren Plänen fest: Pläne, die den Vorgaben des Zürcher Volksschulgesetzes entsprachen und deshalb juristisch nicht anfechtbar waren.
Auch wenn sie bei gewissen Eltern bis zum Schluss auf taube Ohren stiess: Martha Jakob versuchte, sie in Gesprächen zu überzeugen, warum aus ihrer Sicht eine bessere Durchmischung wichtig ist.
Ihr ging es nämlich nicht nur um die Sprache, sondern vielmehr auch darum, eine Brücke zwischen Schweizer Kindern und Kindern mit Migrationshintergrund zu bauen – um mehr Chancengerechtigkeit.
In der Volksschule ist es selbstverständlich, dass alle zusammengehören.
Martha Jakob widersprach der Befürchtung, dass Kinder mit Deutsch als Muttersprache in einem Schulhaus mit einem hohen Anteil an Kindern mit Deutsch als Zweitsprache zu wenig gefördert würden. Wenn ein Kind genug mitbringe, um ins Gymnasium zu gehen, schaffe es den Übertritt in jedem Schulhaus, so Jakob: «Der Prozess der Durchmischung ist kein Experiment. Es ist eine Selbstverständlichkeit. Wir gehören alle zusammen.»
Zwei Jahre ohne verlässliche Zahlen
Mittlerweile sind zwei Jahre vergangen, seit der Prozess der Durchmischung angestossen wurde. Die Zahlen haben sich leicht angeglichen in den beiden Primarschulhäusern – in Gutschick ist die Zahl der Kinder mit Deutsch als Zweitsprache leicht gesunken, in Schönengrund leicht gestiegen.
Hat sich die veränderte Durchmischung denn auf die Leistung der Kinder ausgewirkt? Martha Jakob antwortet vorsichtig: Es gebe noch keine verlässlichen Zahlen. Aber sie merkt auch an, dass bei der jüngsten Zuteilung vor den Schulferien, der Sturm der Entrüstung im Quartier ausgeblieben sei: «Offensichtlich ist die Botschaft angekommen.»