Sie heissen Ilia, Timofi und Ivanka, sind zwischen fünf und sieben Jahre alt und kommen aus der Ukraine. Seit zwei Wochen besuchen die Kinder den Unterricht an der Primarschule Guttannen im Berner Oberland. Noch etwas zaghaft sitzen sie im Morgenkreis und zählen auf zehn – auf Deutsch. Wissen sie nicht weiter, helfen ihnen die neuen Schweizer Gspändli.
«Cool, hat es jetzt mehr Kinder zum Spielen», strahlt die 6-jährige Tonja. «Es ist ein Wachsen», sagt Lehrerin Andrea Scherling. Es sei jetzt noch chaotischer und unruhiger als sonst. Ihre grösste Herausforderung: «Dass ich auf alle so eingehen kann, wie sie es verdient haben.»
Meine Aufgabe ist es, allen gerecht zu werden.
Es ist eine Herausforderung, der sich die Schulen landauf, landab stellen müssen. Zu Tausenden flüchten vor allem Frauen und Kinder vor dem Krieg aus der Ukraine. Viele von ihnen kommen auch in die Schweiz. Alle brauchen sie ein Dach über dem Kopf, für Kinder ist zudem zentral, dass sie schnell wieder zur Schule gehen können.
Für den Unterricht setzen die Schulen hauptsächlich auf zwei Modelle: Entweder kommen die ukrainischen Kinder gleich in den regulären Unterricht, wie in Guttannen, oder sie besuchen zunächst eine sogenannte Auffang- oder Aufnahmeklasse, wie in Küsnacht ZH.
Im Pavillon der Schule Erb in Küsnacht bei Zürich sind die ukrainischen Schüler unter sich und büffeln Deutsch. «Jeden Tag kommen neue Kinder», erklärt Schulpräsident Klemens Empting. Weil es zu viele für die Regelklassen sind, hat Küsnacht eine eigene Klasse für sie geschaffen. Dort bleiben sie, bis sie gut genug Deutsch können, um dem Regelunterricht zu folgen.
Improvisiert, aber motiviert
Den Unterricht bestreiten der pensionierte Gymnasiallehrer Roland Heer zusammen mit Julia Alexeenco, einer gebürtigen Ukrainierin, die schon länger in der Schweiz wohnt. Improvisieren sei das Gebot der Stunde, sagt Schulpräsident Klemens Empting dazu. Für Lehrer Heer ist es ein Mittel, der eigenen Ohnmacht etwas entgegenzusetzen. Nicht nur passiv schreckliche Nachrichten in Echtzeit zu lesen, sondern zu handeln.
Es ist eine gute Möglichkeit, hervorzuholen, was ich kann.
Deutsch ist für die Kinder aus der Ukraine eine ungewohnte Sprache mit für sie sehr seltsamen Lauten: «öööö», «üüüüü», üben die Teenager an ihrem allerersten Morgen an einer Schweizer Schule, sie kichern etwas verlegen. Trotz des Gekichers: Die Motivation ist hoch, der Unterricht kommt gut an: «Es ist sehr wichtig, dass wir Deutsch lernen, auch wenn wir nicht wissen, wie lange wir bleiben. Der Unterricht hat mir gefallen und ich möchte weitermachen», übersetzt Julia Alexeenco das Fazit der 13-jährigen Elyzaveta.
Alle geben ihr Bestes, in Zürich, in Küsnacht, in Guttannen. Schwierigkeiten, wie sprachliche Hürden, verschwinden aber nicht von heute auf morgen. Die Kinder verständigen sich vor allem durch Zeichensprache. «Man muss sich etwas angewöhnen», meint dazu die 11-jährige Seraina Kauffmann aus Guttannen. Zusammenwachsen braucht Zeit.