Es ist eine frohe Botschaft: «Wir werden Anfang Mai erstmals die Eröffnung von elektronischen Patientendossiers ermöglichen können», sagt Adrian Schmid, Leiter von E-Health Suisse.
In diesem Jahr soll es in den ersten Kantonen wie Aargau oder Graubünden losgehen, nachdem Politik und Gesundheitswesen bereits seit 2007 an der Digitalisierung von Patientendossiers herumdoktern. Doch noch bevor der erste Patient seine Gesundheitsdaten abgespeichert hat, hagelt es schon Kritik. «Das elektronische Patientendossier in der jetzigen Form ist hoffnungslos veraltet», sagt etwa Yvonne Gilli, Präsidentin des Berufsverbandes der Schweizerischen Ärztinnen und Ärzte FMH. «Es ist im Moment nicht mehr als ein Ablageordner für PDFs.»
Eine Wüste von Dokumenten
Auch der Präsident der Haus- und Kinderärzte Schweiz mfe bläst ins selbe Horn. «Bis jetzt ist es eine einfache Datensammlung», sagt Philippe Luchsinger, Präsident von mfe. «Eine Wüste von vielen Dokumenten, in denen der Arzt sehr viel Zeit braucht, um zu finden, was er braucht.» Die Ärzte möchten deutlich mehr.
Ein Wunsch der Ärzte wäre etwa, dass das Patientendossier den Medikationsprozess vereinfacht: So könnte das Tool etwa zur Verschreibung rezeptpflichtiger Medikamente dienen – in der Apotheke fiele das Vorweisen eines Zettels weg. Wechselt der Patient den Arzt, könnte auch der nächste sehen, von welchem Medikament wie viel verabreicht wurde. Und über die Software könnte der Arzt auch gleich auftretende Nebenwirkungen an die Behörden melden.
Auch in der Corona-Pandemie wäre ein funktionierendes, ausgebautes Patientendossier nützlich gewesen: Der Impfpass hätte im Dossier gespeichert werden können. Eventuell auch ein Impfzertifikat für Auslandreisen. All dies wird – zumindest zu Beginn – nicht möglich sein.
Nur Kosten und wenig Nutzen?
Trotzdem: Für die Patientinnen und Patienten bringt das E-Patientendossier klare Vorteile. Sie haben neu die Möglichkeit, persönliche Gesundheitsdaten wie Röntgenbilder oder Arztberichte an einem zentralen Ort zu speichern und können selber bestimmen, wer darauf Zugriff hat.
Für die Ärztinnen und Ärzte und das Gesundheitswesen ist der Nutzen des E-Patientendossiers in der heutigen Form aber noch unklar. Laut den Ärzteverbänden liegen die Nachteile hingegen auf der Hand. Heute funktioniert noch jede dritte Arztpraxis mit papierenen Patientendossiers. Um die Aktenschränke voller Papier-Register ins digitale System zu tippen und die Computer-Infrastruktur fit zu machen, entstehen Kosten von mehreren zehntausend Franken pro Praxis.
Die Digitalisierung ist im Gesundheitsbereich absolut im Steinzeitalter
Trotzdem werden die Ärzte nicht drum herumkommen, das elektronische Dossier anzubieten. Denn nach dem Nationalrat hat in der Frühlingssession auch der Ständerat den Ärzten ein Obligatorium aufs Auge gedrückt – dagegen hatten sie sich immer gewehrt.
Angesichts der Corona-Pandemie drängt die Politik nun vorwärts. «Die Digitalisierung ist im Gesundheitsbereich absolut im Steinzeitalter», sagt Damian Müller, Mitglied der Gesundheitskommission des Ständerates. Diese plädiert ebenfalls dafür, dass das elektronische Patientendossier rasch zu einer Plattform für Ärzte ausgebaut wird. «Es kann nicht sein, dass das neue Patientendossier nur eine PDF-Ablage ist.» Baldige Updates oder gar ein neues System sind absehbar.