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Das Abstimmungsbüchlein in Zeiten von KI
Aus Echo der Zeit vom 26.11.2023. Bild: Keystone
abspielen. Laufzeit 4 Minuten 51 Sekunden.

Künstliche Intelligenz Hat das Abstimmungsbüchlein bald ausgedient?

Die Digitalisierung bietet für die Demokratie zwar viele Chancen. Gerade Künstliche Intelligenz aber birgt Risiken.

Für das Wetter nutzen wir eine App. Kleider kaufen wir online. Und bürokratische Briefe lassen wir von ChatGPT schreiben. Die Digitalisierung hat in vielen Lebensbereichen Einzug gehalten.

Anders ist das in der Politik. Das altbewährte Abstimmungsbüchlein wird immer noch vor jeder Abstimmung in gedruckter Form an die Schweizer Haushalte geschickt. Aber wie sieht die Demokratie der Zukunft aus?

Eine Schwarz-Weiss-Aufnahme. Ein Mann präsentiert ein Abstimmungsbüchlein.
Legende: Es sah 1975 fast gleich aus wie heute. Damals präsentierte der Vizekanzler der Schweizerischen Bundeskanzlei das neu gestaltete Abstimmungsbüchlein. Keystone

Trotz Tiktok und Instagram ist das Abstimmungsbüchlein auch bei den Jugendlichen beliebt. «Es ist nach wie vor die wichtigste Informationsquelle, wenn es um Abstimmungen geht», sagt Vizekanzler André Simonazzi. Es sei aber klar: Mit der Entwicklung der klassischen Medien und der Sozialen Medien wird das in der Zukunft nicht mehr so sein.

Einige Modernisierungen hat es bei Informationen rund um die Abstimmungen bereits gegeben: Das Abstimmungsbüchlein gibt es inzwischen in digitalisierter Form in der App «Voteinfo».

Seit 2016 produziert die Bundeskanzlei zudem Erklärvideos und veröffentlicht diese auf dem Youtube-Kanal des Bundesrats. Laut dem Meinungsforschungsinstitut GFS Bern kommt das Angebot gut an: Personen unter 40 Jahren nutzen die App demnach sehr intensiv.

KI birgt viele Risiken

Wieso nicht den Fortschritt im Bereich der Künstlichen Intelligenz (KI) für Abstimmungsinformationen nutzen? Zum Beispiel eine App, die Fragen zu den Vorlagen direkt beantwortet.

Man muss sehr sorgfältig mit Informationen umgehen.
Autor: André Simonazzi Vizekanzler

«Schwierig», findet Vizekanzler André Simonazzi. «Man muss sehr sorgfältig mit Informationen umgehen.» Das sei eine Herausforderung.

Fehler im Vorfeld einer Abstimmung können massive Folgen haben, wie das Beispiel der Abstimmung über die Heiratsstrafe zeigt.

Bundesgericht kippt Volksentscheid

Box aufklappen Box zuklappen

Im Jahr 2016 wurde erstmals in der Schweizer Geschichte ein Volksentscheid annulliert.

Bei der Abstimmung ging es um die Volksinitiative der CVP «Für Ehe und Familie – gegen die Heiratsstrafe». Die Initiative wurde knapp abgelehnt, mit einem Nein-Anteil von 50.8 Prozent.

Im Abstimmungsbüchlein war die Rede von 40'000 betroffenen Doppelverdiener-Ehepaaren, die unter der Heiratsstrafe finanzielle Einbussen haben. Das stimmte so aber nicht: Im Juni 2018 räumte der Bundesrat Fehler ein. Es seien rund 454'000 Doppelverdiener-Ehepaare, die unter der Heiratsstrafe leiden.

Daraufhin legte die CVP eine Abstimmungsbeschwerde ein. Das Bundesgericht hat daraufhin entschieden: Wegen dieses Fehlers ist die Abstimmung nicht gültig.

Bis heute ein einmaliger und damit historischer Entscheid im Zusammenhang mit der Schweizer Demokratie.

Sich in einem so heiklen Umfeld auf KI zu verlassen, kann sich Simonazzi nicht vorstellen. Wenn die Informationen auf Basis von KI nicht stimmen, habe das enorme Auswirkungen auf die Schweizer Demokratie.

Information ist ein so wichtiger Schlüssel im direktdemokratischen Entscheidungsprozess.
Autor: Martina Mousson Politikwissenschaftlerin GFS Bern

Kritisch ist auch die Politikwissenschaftlerin Martina Mousson vom Meinungsforschungsinstitut GFS Bern. Es gäbe viele rechtliche Fragen zu klären und vor allem auch viele kritische Aspekte zu beachten. «Information ist ein so wichtiger Schlüssel im direktdemokratischen Entscheidungsprozess.»

Eine Frau kreuzt auf einem Abstimmungszettel Nein an. Daneben ein Abstimmungsbüchlein.
Legende: Vor jeder Abstimmung wird das Abstimmungsbüchlein an rund fünf Millionen Stimmbürger und Stimmbürgerinnen verschickt. Es ist damit die auflagenstärkste Publikation der Schweiz. Keystone/Alessandro Della Valle

Simonazzi und Mousson sind sich daher einig: Im Bereich der Demokratie hat die KI im Moment einen schweren Stand. Gleicher Meinung ist übrigens auch die KI selber. Auf die Frage, ob es Fragen zum Abstimmungsbüchlein beantworten könne, sagt ChatGPT: «Ja, aber es wäre ratsam, sich auf offizielle Quellen zu verlassen.»

Offizielle Quellen, wie das altbewährte Abstimmungsbüchlein, das seit Jahrzehnten Millionen Schweizerinnen und Schweizer über die bevorstehenden Abstimmungen informiert.

Echo der Zeit, 26.11.2023, 18 Uhr ; 

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