Während 15 Jahren hat Thomas Küchler als Direktor die Geschicke der Südostbahn SOB gelenkt. Das Bahnunternehmen machte unter seiner Führung einen starken Wandel durch. Küchler verordnete der SOB eine radikale Expansions- und Modernisierungsstrategie und sicherte so die Zukunft der drittgrössten Normalspurbahn der Schweiz. Jetzt geht der gelernte Tiefbauzeichner und Bauingenieur vorzeitig in Pension und schaut nochmals zurück auf seine Schaffenszeit bei der SOB.
Eisenbahnreform als Katalysator
Als Thomas Küchler im Jahr 2010 die Leitung der SOB übernahm, steckte das Unternehmen in einer Krise. Es habe die Nachwehen der grossen Eisenbahnreform «Bahn 2000» gespürt, sagt Küchler heute. «Bei vielen Privatbahnen wurden Fusionen angestossen.»
So auch bei der Südostbahn, die sich mit der Bodensee-Toggenburg-Bahn zusammenschloss. «Die Fusion führte zu ungünstigen Strukturen», so Küchler. Die NZZ schrieb damals, die SOB sei zu gross, um zu sterben, aber zu klein, um zu leben. «Wir mussten was machen, sonst wäre die Südostbahn vom Markt verschwunden», ist der Direktor heute überzeugt.
Wachstum dank Fernverkehr
Grundsätzlich gab es zwei Optionen: Schrumpfen oder Wachsen. Thomas Küchler und der damalige Verwaltungsrat der SOB entschieden sich für Letzteres. Die Regionalbahn sollte auch im Fernverkehr Fuss fassen und bewarb sich um die Gotthard-Bergstrecke, als diese Konzession fällig wurde.
Das regionale Bahnunternehmen konnte sich den Auftrag in Kooperation mit der SBB sichern und bedient seit gut vier Jahren mit dem kupferfarbenen «Treno Gottardo» die Gotthard-Bergstrecke.
Mit Erfolg, wie Küchler selbst sagt. «Das Angebot hat alle unsere Erwartungen übertroffen.» Als Nebeneffekt habe man auch zum Erhalt der Bergstrecke beigetragen. «Ohne uns wäre die Bergstrecke vermutlich verkehrsmässig tot gewesen.»
Mit den Jahren kamen weitere Fernverkehrsstrecken hinzu. So betreibt die Südostbahn auch den Interregio Aare Linth, der die Städte Bern, Zürich und Chur verbindet. Seit wenigen Monaten gibt es zudem den Alpenrhein-Express, der St. Gallen mit Chur verbindet.
Selbstfahrende Züge
Eine weitere Chance für Wachstum sah Thomas Küchler bei der Digitalisierung. So lancierte die SOB unter seiner Führung eine Mobilitätsplattform mit dem Namen «Abilio». Ihr war kein Erfolg vergönnt. Vorreiter will die Südostbahn auch bei den selbstfahrenden Zügen sein, wo sie vor knapp acht Jahren ein Projekt anstiess.
Die Automatisierung ist wesentliche Voraussetzung, damit wir mehr Kapazität auf die Schiene bringen.
Auf einer kurzen Strecke testete die SOB über Nacht autonom fahrende Züge. Diese verkehrten passagierlos zwischen Arth-Goldau und Biberbrugg und wurden von Lokführern begleitet, welche das System überwachten. Küchler ist überzeugt, dass dies die Zukunft des Schienenverkehrs ist. «Die Automatisierung ist wesentliche Voraussetzung dafür, dass wir mehr Kapazität auf die Schiene bringen.»
Nach der Testphase sollten die Züge auch mit Passagieren unterwegs sein, doch dafür braucht es eine Bewilligung des Bundesamts für Verkehr. Diese liegt noch nicht vor – zum Ärger von Küchler. «Ich kann nicht beurteilen, wo das Problem sein soll.» Das Bundesamt mache nicht vorwärts.
Bis tatsächlich führerlose Passagierzüge auf den Strecken der SOB verkehren, kann es also noch dauern. Als Direktor wird es Thomas Küchler nicht mehr miterleben.