Verschneite Hänge und eine sonnige Wetterprognose locken in die Berge. Doch die Lawinengefahr ist zurzeit kritisch – sagt Lawinenprognostiker Lukas Dürr. Was Wintersportlerinnen und Wintersportler jetzt beachten müssen.
SRF News: Wie wirkt sich die Wetterlage aktuell auf die Lawinengefahr aus?
Lukas Dürr: Im Moment haben wir eine kritische Lawinensituation. Das ist vor allem auf die Schneefälle der letzten Tage und insbesondere der letzten Nacht zurückzuführen. Wir haben bis zu 80 Zentimeter Neuschnee bekommen, besonders im Osten der Schweiz. Aber auch in der westlichen Schweiz hat es 30 bis 50 Zentimeter geschneit.
Die Schneeschichten konnten sich noch nicht stabilisieren.
Dieser Neuschnee ist noch recht schwach verfestigt. Diese Schichten konnten sich noch nicht setzen und stabilisieren. Es kann deshalb leicht eine Schneebrettlawine ausgelöst werden – auch schon durch einen einzelnen Schneesportler. Dieses Gewicht reicht bereits, um dutzende Tonnen Schnee in Bewegung zu setzen. Dessen muss man sich bewusst sein.
Nach welchen Kriterien wird die Lawinengefahr eingestuft?
Die Lawinengefahr hängt sehr stark von den Wetterbedingungen ab. Es gibt verschiedene Faktoren, die dazu beitragen, dass die Lawinengefahr ansteigt. Neuschnee ist ein sehr wichtiger Faktor – wenn nicht sogar der wichtigste. Ein weiterer Faktor ist der Wind: Wir hatten aktuell starke Nordwinde. Das heisst, es ist Schnee verfrachtet und umgelagert worden. Auch das führt dazu, dass die Lawinengefahr erhöht bleibt.
Wo ist die Lawinengefahr besonders gross?
Im Moment haben wir im ganzen Alpenraum eine kritische Situation, vor allem für Schneesportlerinnen und Schneesportler abseits der Pisten.
Bei Schneesport auf den Pisten braucht man sich keine Sorgen zu machen. Da gibt es Spezialisten, die für die Lawinensicherheit auf den Pisten sorgen und entsprechende Massnahmen treffen.
Was sollen Wintersportlerinnen und Wintersportler beachten, die abseits von Pisten unterwegs sind?
Alle Personen abseits der Pisten sind eigenverantwortlich unterwegs. Sie müssen nun in allen Gebieten der Schweizer Alpen vorsichtig sein. Wer jetzt neben den Pisten unterwegs sein will, muss Wissen und Erfahrung mitbringen.
Man muss auch Gefahrenstellen im Gelände feststellen können. Für das braucht es Knowhow.
Man muss das Gelände auswählen, das den Verhältnissen entspricht. Im Moment sollte man grössere Steilhänge möglichst meiden. Man muss auch Gefahrenstellen im Gelände feststellen können. Für das braucht es Knowhow. Im Moment ist die Situation aber so, dass auch mit allem Wissen Vorsicht angezeigt ist.
Was gibt es für Verhaltensregeln?
Wenn man in eine Lawine kommt, ist es immer sehr kritisch – das heisst, es gilt alles daranzusetzen, dass man gar nicht erst in eine Lawine kommt. Es gelten ähnliche Prinzipien wie im Strassenverkehr: Wir gurten uns vorsichtshalber an, ohne deshalb besonders schnell zu fahren.
Analog sollte man das auch im Lawinengelände machen: Man rüstet sich vorsorglich aus – mit Lawinenverschütteten-Suchgerät, Sonden und Schaufeln und versucht trotzdem, mit geeignetem Verhalten das Risiko für eine Lawinenauslösung zu reduzieren. Neben dem Knowhow sollte man sich zudem laufend über die Risiken informieren, die wir bis zu zweimal täglich aktualisieren.
Entspannt sich die Lawinengefahr in nächster Zeit?
Am Samstag hatten wir noch grosse Lawinengefahr. Am Sonntag stufen wir etwas zurück, weil kein Neuschnee mehr dazukommt. Ab Sonntag gilt in den meisten Gebieten der Schweizer Alpen Gefahrenstufe 3 (erheblich) für Lawinen. Eine weitere Entspannung der Lawinengefahr ist aber noch nicht in Sicht, es bleibt kritisch.
Das Gespräch führte Viviane Stadelmann.