«Ich möchte einfach wieder normal leben und wie gehabt in den Präsenzunterricht gehen können», schreibt ein Student auf Instagram. Ein anderer lässt seinem Frust freien Lauf: «Dann lasse ich den Ausgang und die Restaurantbesuche halt sein - meine Jugend ist eh vorbei.»
Solche Aussagen sind zurzeit überall hörbar. Sie beziehen sich auf die neuen Massnahmen, die der Bund diese Woche einführen will. Aktuell stehen zwei Varianten zur Debatte - und egal, welche zum Zug kommt, die Jungen sind von den Massnahmen stark betroffen.
Nähe ist essenziell für Jugendliche
Michael Hermann ist Geograph, Politikwissenschaftler und leitet das Forschungsinstitut Sotomo, das für die SRG Befragungen zum Thema Corona durchführt. Für ihn sind junge Erwachsene am stärksten von den Massnahmen betroffen. Denn: «Die Massnahmen schränken die Lebenskreise der Jungen besonders ein. Das Alter zwischen 16 und 25 Jahren, ist jene Lebensphase, in der man am meisten neue Kontakte knüpft und die Welt entdecken will.»
Zum Jungsein gehört die Nähe, auch zu unbekannten Leuten.
Für ältere Personen seien die Massnahmen deshalb eher weniger einschneidend. Häufig hätten diese bereits mehr Erfahrungen gemacht sowie ein bereits bestehendes soziales Umfeld. Bei den Jungen sei das aber klar anders.
Zum Jungsein gehört die Nähe, auch zu unbekannten Leuten – in einer Zeit, in der vor allem Distanzhalten angesagt ist, trifft das die Jungen besonders.
Ein weiterer Grund für die starke Betroffenheit durch die Massnahmen sei zudem die tiefe Impfquote bei den Jungen. Denn ohne Impfung würden viele künftig aussen vor bleiben. Zumindest dies können die Jungen jedoch eigenständig ändern, indem sie sich impfen liessen.
Sorgen nehmen zu
Dass die kontaktfreudigen Jungen stark unter den Massnahmen leiden, und die Pandemie bei Ihnen Spuren hinterlässt, stellt auch Psychotherapeutin Corina Bacilieri-Schmid fest.
Anders als noch am Anfang der Pandemie seien immer mehr Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene nun direkt mit dem Virus in Kontakt gekommen. Das führe teils zu Ängsten, sagt sie. «Manche überstanden die erste Welle gut, doch mit dem Beginn einer neuen Welle ist die Luft plötzlich draussen.» Auch könnten mit jeder weiteren Welle Sorgen wie Arbeitsverlust, Vereinsamung oder mangelnde Lebensfreude verstärkt werden.
Diese Entwicklung und die ständig wechselnden Regelungen resultieren in zunehmender Hoffnungslosigkeit und Gereiztheit.
Der Frust über die Massnahmen sei zudem verständlich, sagt Bacilieri-Schmid. Viele hätten sich impfen lassen, um am Leben teilhaben zu können. Sie hätten die Massnahmen mitgemacht und seien davon ausgegangen, dass es das jetzt war.
«Doch nun heisst es eben, nein, das war es noch nicht.» Das Leben wird wieder eingeschränkt: Im besten Fall könne noch getestet werden - im schlimmsten Fall aber würden gewisse Orte wieder schliessen. «Diese Entwicklung und die ständig wechselnden Regelungen resultieren in zunehmender Hoffnungslosigkeit und Gereiztheit.»
Forderung nach Lösungen für die Jungen
Auch die Konferenz der kantonalen Sozialdirektorinnen und Sozialdirektoren (SODK) registriert den Leidensdruck der Jungen. Am Montag haben sie dazu ihre Umfrage-Ergebnisse präsentiert. Aufgrund deren fordern sie den öffentlichen Sektor nun auf, mehr gegen die Auswirkungen der Pandemie zu unternehmen.
Die Umfrage hat unter anderem gezeigt, dass sich die Pandemie und die strengen Massnahmen negativ auf jene Angebote auswirkten, die für die Entwicklung von jungen Menschen essenziell seien. Genannt wurden dabei Kontakte mit Gleichaltrigen, Freizeit-, Sport-, Kulturangebote sowie die offene Kinder- und Jugendarbeit.