Bisher war es eine kleine Gruppe, doch nun zeigen neue Studien für die Schweiz, dass das riskante Mischen von starken Medikamenten mit Alkohol bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen zunimmt. In den letzten Jahren gab es über 30 Todesfälle in der Schweiz, doch das Wissen über das Wie, Wo, Was und Warum zum Mischkonsum war begrenzt.
Die letzte Befragung von Schülerinnen und Schülern hat gezeigt, dass rund 4 Prozent der 14- und 15-Jährigen bereits einmal Medikamente mit Alkohol gemischt und konsumiert haben. Das sind mehr Schülerinnen und Schüler als jene, die illegale Drogen konsumieren.
Wodka, Benzos, Cannabis
«Beim Vortrinken wird gemischt», stellt Corina Salis Gross von der Universität Zürich fest. Sie und ihr Team vom Institut für Sucht- und Gesundheitsforschung wollten mehr zum problematischen Konsum der jungen Menschen in der Schweiz erfahren.
In den meisten Fällen wird im privaten Raum gemischt, vor dem Ausgang oder anstelle des Ausgangs: «Da steht eine Flasche Wodka auf dem Tisch, eine Schachtel Benzos, weitere Medikamente, Cannabis, und dann wird gemeinsam konsumiert», beschreibt Salis Gross ihre Beobachtung.
Starke Medikamente auf Rezept
Im Umlauf sind Medikamente wie starke Schmerz-, Beruhigungs- und Hustenmittel, Antidepressiva und ADHS-Medikamente. Teils wurden sie den Jugendlichen selbst verschrieben, teils ihren Familienmitgliedern, teils wurden sie über andere Kanäle beschafft.
Je nach Kombination ist das lebensgefährlich und kann zu Hirnschlag, Herz- oder Atemstillstand führen. Boris Quednow von der Psychiatrischen Uniklinik Zürich sagt, die Jüngeren seien sich des Risikos nicht bewusst.
Quednow lehrt und forscht zu Pharmakopsychologie und spricht von einer neuen Risikogruppe: Gefährdet seien die Söhne und Töchter aus integrierten, finanziell gut situierten Elternhäusern. Eine Gruppe, so Quednow, die Drogen ablehnt und teilweise fälschlicherweise glaubt, Medikamente seien sicher.
Eine neue Welle von Medikamentenmissbrauch
Quednow verfügt über repräsentative Daten. Es sind Befragungen, seit Kurzem kombiniert mit Haaranalysen zu rund 20 illegalen und legalen Substanzen. Die neuesten Zahlen zeigen: Knapp ein Drittel der 24-Jährigen mischt munter und tut das nicht erst seit gestern. 10 bis 12 Prozent von ihnen schlucken hochriskante Mixturen aus Alkohol und psychoaktiven Medikamenten.
Quednow stellt aber eine Veränderung fest: War vor rund zehn Jahren Aufputschendes für die Party gefragt, ist es jetzt das Dämpfende, Beruhigende, mit dem Ziel, «sich für ein paar Stunden oder für ein Wochenende von der Welt zu verabschieden, von der Unruhe da draussen».
Auch Salis Gros spricht von zwei Motiven hinter dem Mischkonsum: Party und Selbstmedikation. Die jungen Menschen schlucken etwas, um weniger unsicher, ängstlich oder gestresst zu sein.
Andere Prävention gefragt
Diese neuen Resultate zeigen: Um dem Missbrauch von Medikamenten bei jungen Menschen zu begegnen und schwere Folgen zu vermeiden, braucht es andere Ansätze als beim Konsum illegaler Drogen.
Die Fachleute verlangen auf allen Ebenen zusätzliche Anstrengungen: in der Aufklärung der Jugendlichen über die Risiken und in der Forschung. Es braucht mehr Aufmerksamkeit beim Verschreiben und beim Verkauf solch starker Medikamente. Gefragt sind also alle, auch Ärztinnen und Apotheker, Eltern und andere Bezugspersonen der Jungen.