Hollywood bringt neuerdings wieder Filme in epischer Länge ins Kino. Das bringt mehr Verkäufe an der Snackbar und holt die Leute weg vom Sofa. Der Nationalrat kennt die Langform schon lange. Kommerzielle Interessen stecken aber nicht hinter den epischen Debatten: Manche Geschäfte sind ganz einfach komplex oder wichtig. Oder im Fall der Armeebotschaft beides.
Nach zweitägiger Diskussion hat der Nationalrat nun entschieden, der Armee vier Milliarden mehr zur Verfügung zu stellen. Das Ziel: Die Schweiz soll angesichts der angespannten geopolitischen Lage Zähne zeigen. Eine abschreckende Wirkung soll vor allem Richtung Russland erzielt werden.
Sparen – aber nicht bei der Armee
Mit seiner Aufstockung der Armeebudgets um vier Milliarden ging das Parlament sogar weiter als vom Bundesrat avisiert. Für erbitterte Diskussionen sorgte im Rat, wie die Mehrausgaben gegenfinanziert werden sollen. Die rote Linie markierte SVP-Nationalrat Mauro Tuena gleich zu Beginn: Steuererhöhungen.
Am Ende setzte sich ein Modell durch, das die Ratslinke schier zur Weissglut trieb: Die Ausgaben sollen mit Sparmassnahmen kompensiert werden – unter anderem bei der Entwicklungshilfe. Zudem sollen die Kantone einen tieferen Anteil der Bundessteuer erhalten.
Die Debatte im Rat war schrill, zuweilen empfahl es sich, den Stahlhelm aufzusetzen (oder alternativ Oropax). «Sie stimmen für Kanonen statt Kinderbetreuung und Panzer statt Pensionen!», feuerte SP-Nationalrätin Tamara Funiciello. Und blickte ebenso drohend wie vielsagend zur rechten Ratshälfte: «Ob das die Stimmbevölkerung wirklich will?»
Fabian Molina holte den Vorschlaghammer raus: Er empörte sich, dass das Parlament für den «Trachtenverein Armee» bei den Menschen sparen wolle – dem Sozialwesen, der Bildung und der Entwicklungshilfe.
Politbeben im Bundeshaus
Die Provokation verfehlte ihre Wirkung nicht. Mehrere SVP-Nationalräte «stellten» den Zürcher Sozialdemokraten und forderten eine Entschuldigung. Die politischen Pole nutzten das Schaufenster der grossen Armeedebatte auch zur Selbstinszenierung.
Die Mitte versuchte, die Streithähne wieder einzufangen. «Sie haben es gemerkt, jetzt geht’s ans Eingemachte», analysierte Nicole Barandun die Lage. «Leider steht im Bundeshaus kein Popcorn für solche Situationen zur Verfügung.» Immerhin hier ist Hollywood der Bundespolitik voraus.
Sichtlich genervt beschwörte die Mitte-Frau den Ernst der Lage. Die Armee sei nach dem Kalten Krieg heruntergewirtschaftet worden. Jetzt müsse das Parlament seine Hausaufgaben machen – und tief in die Tasche greifen. Gesagt, getan: Eine bürgerliche Allianz von SVP, FDP und Mitte griff zur Finanzierungslösung, die die SP im roten Bereich drehen liess.
«Die Mitte paranoid – geht's noch?»
Kurz vor Schluss verlor auch noch die Mitte die Contenance. Wieder hatte Fabian Molina einen Wirkungstreffer erzielt. Er warf der Mitte vor, ihre Ideale (und die eigene Bundesrätin) über Bord zu werfen – und «paranoid» zu agieren.
Mitte-Fraktionschef Matthias Bregy stürmte ans Rednerpult – und wollte von Molina wissen, welche Vertreter seiner Partei denn nun «paranoid» seien – damit diese sich eine Strafanzeige überlegen könnten.
Politik war heute Show, allerdings ohne Popcorn. Am Entscheid hat die Linke trotzdem zu knabbern.